Wächter

stolzes Marine-Emblem, und das graue Haar war zu einem Bürstenschnitt geschoren.
    Sie schätzte, dass er in den Siebzigern war. Er war um die vierzig gewesen, als er die Aurora 1 , die erste bemannte Mission zum Mars geführt und als erster Mensch den Fuß auf dieser Welt gesetzt hatte - und dann hatte er seine gestrandete Mannschaft durch die größere Gefahr des Sonnensturms geführt. Offensichtlich hatte er diese Erfahrung persönlich genommen. In seiner Eigenschaft als Konteradmiral in der neuen Weltraum-Marine war er ein Machtfaktor in den paranoiden Jahren nach dem Sonnensturm gewesen und hatte alles darangesetzt, der Bedrohung Paroli zu bieten, wegen der er einst auf dem Mars gestrandet war.
    Wie sie ihn hin und her gehen sah, mit Koffein vollgepumpt und mit diesem dringlichen Gesichtsausdruck, verspürte Bella den absurden Impuls, ihn um ein Autogramm zu bitten. Und dann den zweiten Impuls, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Doch sie unterdrückte diese Gedanken.
    In seinem abgehackten Akzent des amerikanischen mittleren Westens erläuterte er die Hinweise, die Edna ihr bereits gegeben hatte, im Einzelnen. »Wir haben sogar drei Sichtungen von diesem Ding.«
    Die erste Sichtung war rein zufällig erfolgt.
    Die im Jahr 1977 gestartete Sonde Voyager 1 hatte die erste Erkundung der äußeren Planeten für die Menschheit durchgeführt und dann das Sonnensystem verlassen. Im fünften
Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts hatte Voyager bereits über die hundertfünfzigfache Entfernung der Erde von der Sonne zurückgelegt.
    Und dann erfasste der kosmische Strahlendetektor, der eigentlich Teilchen von entfernten Supernovae hätte auffangen sollen, einen Schwall energetischer Partikel.
    Irgendetwas war da draußen in der Dunkelheit geboren worden.
    »Niemand hatte der Sache damals große Bedeutung beigemessen. Weil das Phänomen nämlich am zwanzigsten April 2042 aufgetreten ist.« Paxton lächelte. »Der Sonnensturm-Tag. Wir waren damals weiß Gott mit anderen Dingen beschäftigt.«
    Aus den späteren Beobachtungen von Voyager ging hervor, wie die von der Schwerkraft der Sonne angezogene Anomalie einen langen Fall ins Herz des Sonnensystems einleitete. Das erste signifikante Objekt, dem der Neuankömmling auf dem Weg zur Sonne begegnen würde, wären der Saturn und sein Mondsystem - und zwar irgendwann im Jahr 2064. Es wurden entsprechende Pläne entwickelt.
    »Und das war die zweite Begegnung«, sagte Paxton. »Wir haben Daten, die vom Deep Space Monitor X7-6102-016 gesammelt wurden - und dann eine Aufzeichnung von der Vernichtung der Sonde. Und drittens hat eine Staffel von Sonden zuletzt ein verdammtes Ding gesichtet, das sich der J-Linie nähert. Dem Jupiter-Orbit.« Er rief eine Softscreen-Karte auf dem Tisch auf. »Drei Punkte auf der Karte, sehen Sie - drei Punkte auf einer plausiblen orbitalen Flugbahn. Drei Sichtungen von etwas, bei dem es sich um ein und dasselbe Objekt handeln muss und das sich in einem Sektor herumtreibt, wo es nichts zu suchen hat.« Er starrte sie mit seinen wässrigen blauen Augen unverwandt an, als ob er sie auffordern wolle, selbst die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.
    »Und Sie sind sich sicher, dass es sich nicht um einen Kometen oder einen anderen Himmelskörper handelt?«

    »Kometen versprühen keine kosmische Strahlen«, sagte er. »Und es ist schon ein besonderer Zufall, dass dieses Ding ausgerechnet am Tag des Sonnensturms aus heiterem Himmel aufgetaucht ist, meinen Sie nicht?«
    »Und diese Flugbahn; wenn man sie verlängert - wohin führt sie dann, Admiral?«
    »Das vermögen wir mit ziemlicher Genauigkeit zu sagen. Das Objekt ist vom Saturn abgelenkt worden, wird aber keine weitere Masse passieren, die für einen Katapulteffekt ausreichen würde. Angenommen, es gerät in den Einfluss der Schwerkraft …«
    Sie schluckte den Köder. »Es nimmt Kurs auf die Erde, nicht wahr?«
    Sein Gesicht war wie aus Granit. »Wenn es diesen Kurs beibehält, wird es im Dezember nächsten Jahres hier eintreffen. Vielleicht ist es ja auch der Rentierschlitten vom Weihnachtsmann.«
    Sie runzelte die Stirn. »Einundzwanzig Monate. Das ist nicht viel Zeit.«
    »Wirklich nicht.«
    »Wenn der Alarm schon ausgelöst worden wäre, als dieses Ding den Saturn passiert hat und wenn es, wie Sie sagen, wirklich eine Sonde zerstört hat, hätten wir eine Vorwarnzeit von ein paar Jahren gehabt.«
    Er zuckte die Achseln. »Sie müssen auf eine höhere Alarmstufe gehen. Ich habe schon die ganze Zeit