Wächter
eine fast fünf Milliarden Jahre alte Welt. »Was für ein Verbrechen«, sagte sie.
»Ja. He, schauen Sie mal.« Ellie wies auf eine zerknitterte, mit Staub bedeckte Schicht, die aus dem karmesinroten Boden wuchs. »Glauben Sie, dass es sich um einen Fallschirm handelt?«
»Rover, stop!« Das Fahrzeug kam ruckartig zum Stehen, und Myra schaute angestrengt auf das Objekt. »Vergrößerung … ich glaube, dass Sie recht haben. Vielleicht reißen die Tornados ihn mit und verhindern, dass er begraben wird. Was zeigt das Sonar?«
»Wollen mal sehen. Rover …«
Und da war es, ein paar Meter tief unter dem windgepeitschten Marsstaub begraben: eine gedrungene, kompakte Struktur, die das Sonar leicht darzustellen vermochte.
»Mars 2«, sagte Myra.
Mars 2 war eine sowjetische Sonde, die im Jahr 1971 mit einer »Günstige-Opposition«-Flottille, der auch Mariner 9 angehört hatte, zum Roten Planeten geflogen war. Sie hatte eine Landung inmitten des schlimmsten globalen Staubsturms versucht, den die Astronomen jemals gesehen hatten.
»Es sieht wie eine Blume aus«, sagte Ellie atemlos. »Mit vier Blütenblättern.«
»Es war eine Metallkugel von der Größe eines Kühlschranks. Die Blütenblätter sollten sich öffnen und die Sonde bei der Landung ausrichten.«
»Sieht so aus, als ob sie wegen eines verdrehten Fallschirms abgestürzt ist. Nachdem sie den ganzen Weg hierher zurückgelegt hatte …«
Ob Bruchlandung oder nicht, Mars 2 war das erste menschliche Artefakt überhaupt, das mit der Oberfläche des Roten Planeten in Kontakt gekommen war. Und es war genau vor hundert Jahren an dieser Stelle heruntergekommen, am 27. November 1971. »Sie hat es geschafft. Und wir auch.«
»Ja. Und nun ist sie unter einer zwei Meter hohen Staubschicht begraben.« Ellie löste den Sicherheitsgurt und erhob sich von ihrem Sitz. »Holen Sie einen Spaten.«
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BABYLON
Als Kapitän Nathaniel Grove in Troja hörte, dass Bisesa Dutt nach Babylon zurückgekehrt sei, eilte er mit Ben Batson dorthin zurück.
Am Ischtar-Tor trafen sie Eumenes, der als Chiliarch einen zunehmend launenhaften Alexander noch immer überlebt hatte. »Bisesa befindet sich im Marduk-Tempel«, sagte er in seinem gestelzten Englisch. »Sie wird nicht herauskommen.«
Grove verzog das Gesicht. »Das war auch zu erwarten. Ich hatte auch schon einen solchen Zusammenbruch. Kein schöner Anblick, wirklich nicht. Dürfen wir sie denn besuchen?«
»Natürlich. Zuerst müssen wir jedoch einen anderen … ah … Einsiedler besuchen - und leider keinen freiwilligen. Er hat darum gebeten, Euch zu sehen, solltet Ihr noch einmal nach Babylon zurückkehren. Eigentlich hat er darum gebeten, mit jedem von denen zu sprechen, die er ›die Modernen‹ nennt.«
Diese Person erwies sich als Ilicius Bloom, der »Konsul« von Chicago. Innerhalb der Stadtmauern, unweit des Ischtar-Tors, hatten Alexanders Wachen ihn in einen Käfig gesperrt.
Der Käfig war offensichtlich für Tiere vorgesehen. Er war den Elementen schutzlos ausgesetzt und so klein, dass Bloom nicht einmal aufrecht darin stehen konnte. Ein Wächter, einer von Alexanders Phalangisten, stand sichtlich gelangweilt beim Käfig. An der Rückseite des Käfigs hing etwas, das wie eine Tierhaut aussah - abgeschabt, verschrumpelt und vertrocknet.
Ilicius Bloom hockte in schmutzigen Lumpen da, und die Augen stachen weiß aus seinem schmutzigen Gesicht. Er zitterte und hustete, obwohl es nicht kalt war, und verströmte einen tierischen Gestank nach Fäkalien, vor dem Grove zurückwich. Bloom bedankte sich überschwänglich für ihr Erscheinen und ignorierte geflissentlich Groves Reaktion. »Sie dürfen übrigens nicht glauben, dass ich das bin. Man hatte vor mir einen Menschenaffen hier eingesperrt. Ein räudiges Weibchen.« Er wühlte im Schmutz. »Schauen Sie - getrocknete Menschenaffen-Kacke!« Er schleuderte sie gegen die Eisenstäbe des Käfigs. »Nachts kommen die Ratten, und das ist nicht lustig. Und raten Sie mal, wohin sie den Menschenaffen gebracht haben? In den Tempel zu diesem Trampel Bisesa Dutt. Man fasst es nicht. Sie müssen mir helfen, Grove. Ich werde es hier drin nicht mehr lange aushalten, das müssen Sie doch sehen.«
»Beruhigen Sie sich, Mann«, sagte Grove. »Sagen Sie uns erst mal, weshalb Sie überhaupt in diesem Käfig stecken. Dann wird es uns vielleicht gelingen, Sie hier rauszuholen.«
»Da wünsche ich Ihnen viel Glück. Alexander spielt mit dem Gedanken an Krieg, müssen Sie
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