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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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Unannehmlichkeiten zu entschuldigen«, sagte ihr Anzug. »Aber …«
    Die Stimme des Anzugs erstarb abrupt, und es herrschte Stille. Plötzlich wurden ihre Glieder schlaff und schwer. Alle Systeme des Anzugs waren ausgefallen, auch die Servomotoren.
    Die Luft sprühte Funken, die alle dem Kern des implodierten Auges zustrebten.

    Myra, die mit ihrem Anzug zu kämpfen hatte, drückte ihren Helm gegen Bisesas, und Bisesa hörte ihre gedämpften Schreie. »Mama, nein! Du darfst mich nicht schon wieder im Stich lassen!«
    Bisesa hielt sich an ihr fest. »Liebes, es wird alles gut, was auch immer geschieht …« Eine Art Wind zerrte an ihr. Sie schwankte, ihre Helme verloren den Kontakt, und sie ließ Myra los.
    Der Lichtsturm schwoll an zu einem Orkan. Bisesa schaute zum Auge auf. Das Licht strömte in sein Herz. In diesen letzten Momenten veränderte das Auge sich wieder. Der Trichter weitete sich zu einem geraden Schacht, der in der Unendlichkeit verschwand - aber es war ein Schacht, der sich über alle perspektivischen Regeln hinwegsetzte, weil die Wände mit der Entfernung nicht schrumpften, sondern scheinbar dieselbe Größe beibehielten.
    Und das Licht brandete gegen sie an, erfüllte sie und brannte selbst ihre Identität aus.
     
    Es gab nur ein Auge , obwohl es viele Projektionen in der Raumzeit hatte. Und es hatte viele Funktionen.
    Eine war die Funktion eines Tors.
    Das Tor öffnete sich. Das Tor schloss sich. In einer Zeitspanne, die zu kurz war, um überhaupt gemessen zu werden, öffnete der Raum sich und schaltete sich ein.
     
    Mit einem Mal war es vorbei. Die Kammer war dunkel. Das Auge saß wieder intakt, glatt und spiegelnd in seinem uralten Verlies.
    Bisesa war verschwunden. Myra lag auf dem Boden, niedergedrückt von einem kraftlosen Anzug. »Mama. Mama!«, schrie sie in der Stille des Helms.
    Sie hörte ein Klicken und ein leises Summen. »Myra«, sagte eine ruhige weibliche Stimme. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich spreche durch Ihre Identifikations-Tätowierung mit Ihnen.«

    »Was ist denn geschehen?«
    »Hilfe ist unterwegs. Ich habe mit Paula auf der Oberfläche gesprochen. Sie beide haben als Einzige Identifikations-Tätowierungen. Sie müssen die anderen beruhigen.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin die Anführerin dessen, was Ihre Mutter als ›Guerilla‹ bezeichnete.«
    »Ich habe Ihre Stimme doch schon mal gehört. Damals - der Sonnensturm …«
    »Mein Name ist Athene.«

{25}
    ZWISCHENSPIEL: EIN SIGNAL VON DER ERDE
2053
    In diesem System eines Dreifach-Sterns lief die Welt weit entfernt vom Zentralgestirn um. Felsige Inseln wuchsen wie schwarze Punkte in einem weißen Meer aus einer glitzernden Eislandschaft. Und eine dieser Inseln wurde von einem Netzwerk aus von Frost glitzernden Leitungen und Antennen überlagert. Es war ein Horchposten.
     
    Ein Radiopuls bestrich die Insel; er wurde durch die Entfernung abgeschwächt und glich einer Welle, die sich kräuselnd in einem Teich ausbreitete. Der Horchposten regte sich - automatische Reaktionen liefen ab. Das Signal wurde aufgezeichnet, aufgebrochen und analysiert.
    Das Signal hatte eine Struktur, eine gestaffelte Hierarchie von Indices, Zeigern und Verknüpfungen. Aber ein Teil der Daten war verschieden. Wie die Computerviren, von denen es entfernt abstammte, hatte es selbst organisierende Fähigkeiten. Die Daten sortierten sich selbst, aktivierten Programme und analysierten die Umgebung, in der sie sich befanden - und derer sie sich allmählich bewusst wurden.
    Jawohl, bewusst. Denn diese durchs All reisenden Daten besaßen eine Persönlichkeit . Nein: gleich drei verschiedene Persönlichkeiten.

    »Dann haben wir unser Bewusstsein also wiedererlangt«, sagte Thales und konstatierte das Offensichtliche.
    »Super! Wie aufregend!«, sagte Athene.
    »Wir werden beobachtet«, sagte Aristoteles.
     
    Zeugin war der einzige Name, den sie jemals getragen hatte.
    Natürlich hatte sie dem in jungen Jahren kaum eine Bedeutung beigemessen. Wie sie sich auch nicht darüber gewundert hatte, dass sie das einzige Kind war inmitten der vielen Erwachsenen im Wasser. Wenn man jung ist, betrachtet man alles als selbstverständlich.
    Dies war eine Wasserwelt, die sich gar nicht mal so sehr unterschied von der Erde. Sogar ein Tag dauerte hier nur wenig länger als auf der Erde.
    Und die hiesigen Geschöpfe waren erdähnlich. Im hellen Wasser des Weltmeeres schwamm die Zeugin , ein Bündel aus Pelz und Fett mit der entfernten Ähnlichkeit einer Robbe,

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