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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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gefolgt, und Amal lebte in Pennsylvania. David und Jolanta suchten gemeinsam, aber niemand war mehr übrig, den sie hätten finden können. Doch David machte weiter, telefonierte herum, gelangte von Huda über das Waisenhaus zu den kolumbianischen Schwestern, von dort zu Muna Jalayta und anderen, bis er endlich Amal in ihrem Vorort von Pennsylvania aufspürte.
    Amal wusste, dass David möglicherweise noch lebte. Yussuf war sich sicher gewesen, dass es sich bei dem jüdischen Soldaten um Ismael gehandelt hatte. Sie hatte sich gefragt, ob sie ihn jemals kennenlernen würde. Zwei Jahrzehnte später, als David schließlich Kontakt zu ihr aufnahm, hatte sie das Gefühl, sie hätte seit Jahren auf seinen Anruf gewartet.

39
Der Anruf von David
    2001
    A mal bereitete den Salat zu. Während sie darauf wartete, dass ihre Tochter Sara zum Essen nach Hause kam, schnippelte sie das Gemüse und sah immer wieder zur Uhr. Sara blieben nur noch wenige Tage, bevor sie nach den Winterferien wieder zurück zur Uni musste. Heute war ihr erster gemeinsamer Abend, seit Sara zu Hause war. Sie hatte ein volles Programm gehabt, weil sie sich an der Uni ehrenamtlich für die Ortsgruppe von Amnesty International und eine Vereinigung namens »Studenten für Gerechtigkeit in Palästina« engagierte und sich zu Hause mit alten Freunden traf. Doch im Stillen erkannte Amal die schmerzhafte Wahrheit, dass Sara die reglose und schweigsame Gesellschaft ihrer strengen Mutter mied, obwohl sie fast fünf Monate lang fort gewesen war, im College.
    Diesen Abend aber hatten sie reserviert, um Zeit miteinander zu verbringen, und Amal fragte sich, ob ihre Tochter deswegen nervös war. Ob sie sich davor fürchtete – oder ob ihr Herz gar mit der gleichen Freude erfüllt war wie ihr eigenes, als sie das Abendessen für sich und Sara zubereitete. Sie hatte
die Lieblingsspeise ihrer Tochter gemacht: Makluba, das palästinensische Gericht, das sie immer an Yussuf erinnerte. Aber sie schob diesen Gedanken beiseite und staunte lieber darüber, dass Palästina im Herzen ihrer amerikanischen Tochter wohnte.
    Dann klingelte das Telefon. Amal legte das Messer auf das Schneidebrett, wischte sich die Hände ab und warf einen Blick auf die Uhr. Es war achtzehn Uhr. Sie nahm den Hörer ab in der Überzeugung, es sei Sara, die ihr mitteilen wollte, dass sie bald käme.
    »Hallo, Sara«, sagte sie. Aber es war still am anderen Ende, und da merkte sie, dass es nicht ihre Tochter war. »Hallo?«, fragte sie.
    »Hallo. Spreche ich mit Amal?«, antwortete eine männliche Stimme mit Akzent.
    »Ja. Wer ist da?«
    »Ich bin David Avaram«, entgegnete die Stimme.
    Der Name sagte ihr nichts, aber aus dem Nachnamen schloss sie, der Anrufer müsse Israeli sein. »Kenne ich Sie?«, wollte sie wissen.
    »Nein … das heißt, doch. Ich meine, Sie kennen mich nicht, aber …«
    Sie war kurz davor, wieder aufzulegen. Die Störung ärgerte sie, und Sara würde jeden Moment kommen.
    »Warten Sie, bitte legen Sie nicht auf«, bat er. Vielleicht hatte er gemerkt, dass Amal das Gespräch beenden wollte. »Tja, ich habe mich wohl nicht so gut auf diesen Anruf vorbereitet, wie ich dachte.«
    Plötzlich stieg eine Erinnerung aus ferner Vergangenheit in ihr auf. »Er ist ein Yahudi, den sie David nennen.«
    Konnte das tatsächlich sein? Ihre Hände fingen an zu zittern. Um ein Haar ließ sie das Telefon fallen.

    »Ich glaube, Sie kennen mich vielleicht als Ismael«, sagte er, aber Amal brachte kein Wort heraus, denn sie wurde von Bildern aus der Vergangenheit überflutet. »Es tut mir leid, dass ich einfach so anrufe. Es ist nur so, dass ich … lange nach Ihnen gesucht habe. Und ich … ich meine, ich werde …«, stotterte er, während er nach den Worten suchte, die er tagelang eingeübt hatte, bevor er endlich zum Telefon gegangen war.
    Noch immer war Amal sprachlos.
    »Das war Ihnen gegenüber nicht fair. Vielleicht war es ein Fehler, einfach anzurufen. Es tut mir leid, Amal. Ich lege jetzt auf«, sagte er. Amal geriet in Panik.
    »Nein!«, rief sie lauter, als sie eigentlich wollte. »Legen Sie nicht auf.«
    »Danke«, entgegnete er. »Ich weiß, ich überfalle Sie, aber in zwei Tagen fliege ich in die Vereinigten Staaten, und da dachte ich …«
    Amal hörte das laute Motorengeräusch von Saras Siebzigerjahre-Käfer, als er in die Einfahrt bog. In ihrem Kopf machte sie bereits Pläne, ihren lange verschollenen Bruder zu treffen, ganz so, als würde sie ein zwangloses Mittagessen mit einem

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