Während ich schlief
freigegeben worden, damit auch abgelegene Regionen ihre eigene erneuerbare Energie gewinnen konnten. Guillory zufolge hatte es sich als gefährlich erwiesen, die Gleiter mit NeoFusion anzutreiben, denn die NeoFusion-Reaktoren
wurden äußerst instabil, sobald ihre Schutzhülle beschädigt wurde. Sie waren zwar nicht radioaktiv oder per se tödlich – NeoFusion sollte schließlich die »sichere, saubere Alternative für jeden Energiebedarf« sein –, doch wenn sie bei einem Unfall beschädigt wurden, führte das fast unweigerlich zu einem Brand, da enorme Hitze frei wurde. Solarenergie dagegen machte die Gleiter wesentlich sicherer, und alle waren sie so praktisch und elegant, dass UniCorp es nicht geschafft hatte, sie durch Konkurrenzmodelle zu verdrängen. Auf diese Weise konnten ihnen die Machenschaften des Konzerns nichts anhaben.
Die Boote hatten nur einen Fehler – zugleich ihre Stärke –, nämlich dass sie über alles hinweggleiten konnten. Die Verkehrskommission hatte daher Magnetbarrieren errichten lassen müssen, die verhinderten, dass sie die Fahrbahn verließen und in Fußgängerbereiche hineinfuhren. Alle Straßen waren jetzt mit rot-gelben Magnetkanten eingefasst. Auf die hatte UniCorp allerdings das Monopol. Als Guillory mir das alles erklärte, hatte er gewitzelt: »Wenn du sie nicht schlagen kannst, zäun sie ein.« UniCorp setzte dem Wettbewerb Grenzen, so oder so.
Ich kletterte aus dem Skiff und über die rot-gelbe Barriere hinweg. Mein Solarboot wendete auf seinem Luftkissen und glitt in Richtung Garage. Ich schleppte mich durch die Flure zu meiner Wohnung, wo ich die Hand auf den antiquierten Fingerabdruckscanner legte, um die Tür zu öffnen. Dabei fragte ich mich, ob der alte Touchscreen noch Xaviers Abdrücke gespeichert hatte, wie zu der Zeit vor meiner langen Stasis. Anscheinend funktionierten die meisten Türöffner inzwischen mit Irisscannern.
Beim Eintreten hörte ich ein Geräusch. Patty und Barry sollten eigentlich erst nach fünf nach Hause kommen; sie arbeiteten beide in der Buchhaltung im UniCorp-Hauptgebäude.
Mir wurde unheimlich. »Hallo?«, rief ich. Keine Antwort. Die übermäßige, schon an Verfolgungswahn grenzende Wachsamkeit, die mir meine Eltern eingeimpft hatten, machte sich bemerkbar, und ich lugte vorsichtig um die Ecke, bereit, sofort die Flucht zu ergreifen, sollte sich das Geräusch als Bedrohung erweisen.
Doch es war keine. Am Türgriff meines Ateliers hing eine Leine, und daran ein Hund. Aber nicht irgendein Hund. Es war ein hochbeiniger Afghane mit seidigem Fell von dem gleichen Goldblond wie meine Haare. Er stand auf, als er mich sah, und wedelte mit dem Schwanz. Ich ging in die Knie und schlang meine Arme um ihn. Mit einem geradezu würdevollen Winseln stupste er mir seine lange Nase ins Gesicht und begann es abzulecken.
Meine stasegeschwächten Augen füllten sich mit Tränen, diesmal vor Freude. Es war das schönste Gefühl, das es gab, nach Hause zu kommen und von einem weichen, freundlichen Wesen empfangen zu werden, das mich bedingungslos liebte. Und das hier war nicht bloß ein Hund. Er war ein Afghane, der Prinz unter den Hunden, ein vierbeiniger Mensch! Meine Finger gruben sich in das seidige Haarkleid und ertasteten einen Zettel an einer Schnur um sein Halsband. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und las. FÜR ROSE ZU IHREM ERSTEN SCHULTAG.
Ich schniefte. Er musste von Mr. Guillory sein. Vielleicht hatten ihn auch Patty und Barry bringen lassen. Mrs. Sabah? Egal. »Du bist wunderschön!«, sagte ich zu ihm. »Der schönste Hund der Welt. Also gebe ich dir auch den allerschönsten Namen: Zavier.«
Zavier hechelte und leckte wieder mein Gesicht. Selbst die Schule würde nun nicht mehr eine solche Tortur sein, solange Zavier zu Hause auf mich wartete.
Ich hatte mir schon immer einen Hund gewünscht, schon als kleines Kind. Der Einzige, mit dem ich spielen durfte, gehörte mir nicht. Er gehörte Xavier und war in Wahrheit kein richtiger Hund.
Ich war vierzehn, und Xavier war mein bester Freund. Er hatte mich gefragt, ob ich zu ihm rüberkommen wolle, um sein neues Spielzeug anzusehen.
Es war eine kleine schwarze Box, nicht unähnlich einem Handy. Was daran seine grüne Augen vor Begeisterung leuchten ließ, entging mir, aber er zeigte sie mir so stolz, als wäre es das Tor zur Erleuchtung.
»Was ist das?«
Xavier drückte eine Taste an der Seite, worauf plötzlich ein Dobermann mitten im Zimmer erschien. »Hierher, Junge!«,
Weitere Kostenlose Bücher