Während ich schlief
hin,
damit Zavier bei Bedarf herankam. Wasser konnte er aus der Toilette trinken. Ich gönnte mir einen kurzen Augenblick des Trostes, indem ich ihn umarmte, doch bei dem hier konnte mir auch mein schöner, seidenhaariger Hund nicht helfen. Ich wischte die Tränen an seinem Fell ab und steuerte entschlossen den Aufzug an.
Sehr langsam fuhr er hinunter ins Kellergeschoss. Schon bei der Aussicht auf die bevorstehende Bewusstlosigkeit wurde ich ruhiger.
Begierig kletterte ich in meine Stase-Röhre und drückte den Zeitschalter. Wir hatten ihn früher kaum benutzt, weil meine Eltern stets wussten, wann es gut war, mich aus der Stasis herauszuholen. Ich stellte ihn auf zwei Wochen und legte mich hin, während die Musik mich schon einlullte.
Die mit Duftstoffen versetzten Chemikalien fegten Schrecken, Scham und Kummer schnell hinweg. Ich atmete sie tief ein und dachte an Xavier. Halb hoffte ich, dass diese ganze schreckliche Erfahrung nie passiert sein würde, wenn ich aufwachte. Es würden nur ein paar Wochen oder Monate vergangen sein, seit meine Eltern die Stase-Röhre geschlossen hatten, und Mom würde auf mich herablächeln und mir ein Champagnerfrühstück in Aussicht stellen. Xavier wäre immer noch mein Nachbar, und ich könnte mich in seine Arme werfen und mich für jeden verpassten Moment entschuldigen.
Alles schien möglich in dieser ersten Phase der Stasis.
M it nur drei Prozent Sehfähigkeit hatte er sich zurück zu seiner Station getastet. Die Zielperson war von dem bekannten Aufenthaltsort geflohen. Seine Programmierung sah nicht vor zu vermuten, dass die Zielperson dorthin zurückkehren würde. Da er die Zielperson nicht lokalisieren konnte, waren seine Direktiven vorläufig ausgesetzt. Er setzte sich, schaltete auf Stand-by-Modus und wartete.
»Die berühmte Rosalinda Fitzroy wurde heute Morgen als vermisst gemeldet, was Gerüchte über eine mögliche Entführung entfachte. Fitzroy hielt sich zuletzt in der Wohnung ihrer Familie in der unicorpeigenen Stadt ComUnity auf. Die Polizei befasst sich mit ihrem Fall.«
NAMENSTREFFER: ZIELPERSON ERWÄHNT. ROSALINDA SAMANTHA FITZROY.
Der neue Aufenthaltsort war bekannt. Es kam ihm nicht in den Sinn, dass es derselbe war wie der letzte bekannte Aufenthaltsort. Seine Programmierung kalkulierte Verhaltensmuster nicht mit ein.
Er implementierte seine oberste Direktive. ZIELPERSON AN AUFTRAGGEBER ÜBERSTELLEN.
Er scannte das Netz. Da er mit 98,7 % Kapazität arbeitete, dauerte der Scan nur eine Stunde.
AUFTRAGGEBER NICHT ERREICHBAR.
Die Elektronen feuerten, und er setzte die zweite Direktive in Kraft.
ZIELPERSON ELIMINIEREN.
WIEDERHOLTEN SCAN IM STAND-BY-MODUS ABWARTEN.
Die Statusprüfung zeigte automatisch an, dass seine Sehfähigkeit immer noch bei nur drei Prozent lag. Seine Nanobots brauchten rund vier Stunden, um jeden Spritzer getrockneter Ölfarbe von seinen Augen zu entfernen, dann erhob er sich von seiner Station und startete die Direktive.
Als ich diesmal die Augen aufschlug, war nichts Schattenhaftes an dem Gesicht, das auf mich herabstarrte. Ich hatte nicht lange genug hier drin gelegen, um an verstärkter Stasis-Erschöpfung zu leiden. Brendan funkelte mich böse an; seine Augen blitzten, als schwömmen Goldfische in grünen Teichen. »Du weißt, dass eine Selbstmorddrohung emotionale Erpressung ist, oder?«
Ich schüttelte mich und trauerte meinem letzten Stasis-Traum nach. Xavier hatte darin die Hauptrolle gespielt, aber irgendwie hatte ich ihn ständig mit Bren verwechselt und wusste nie, wer wer war. Ich sagte Bren, wie sehr ich ihn vermisste, meinte jedoch Xavier. Er, welcher von beiden es auch war, hielt mich zärtlich, und wir schwammen gemeinsam durch das wunderbare Licht, das meine Stase-Träume durchflutete. Zwar hatte es mich vage gestört, dass der Junge in meinen Armen andauernd das Gesicht wechselte, aber das war sehr viel besser gewesen als die wütende Miene, die ich nun in Wirklichkeit über mir sah. »Das war keine Selbstmorddrohung«, sagte ich, noch matt von den Stase-Drogen.
»Ach nein? Warum bist du denn sonst wieder in deinen Glassarg gestiegen?«, fauchte Bren mich an.
Ich blinzelte verblüfft und blickte auf meine Geborgenheit spendende Stase-Röhre. Der glatte Seidensatin, der mich so
angenehm bettete, die sanfte Musik, die mich in den letzten Minuten vor dem Einsetzen der Stasis umgab, der süße Hauch der Gase, die mich in einen finalen Traumzustand versetzten, bevor ich in die Tiefenstarre verfiel –
Weitere Kostenlose Bücher