Während ich schlief
das geht nicht. So darf mich niemand sehen. Ich bin hypernervös. Ich muss mich beherrschen.«
»Niemand sieht dich außer mir.«
»Trotzdem«, erwiderte ich. »Das gehört sich nicht. Ich brauche viel Zeit, um mich zu beruhigen. Deshalb die Stasis, okay? Ich bin zu emotional. Außerdem habe ich die ganze letzte Nacht geweint. Ich sollte nicht mehr weinen müssen.«
Bren legte belustigt den Kopf schräg. »Letzte Nacht warst du in Stasis.«
»Oh.«
Brens Mund zuckte, und er kam und setzte sich neben mich auf die Kiste. Er legte einen Arm um mich und rieb mir die Schulter. Das war ganz platonisch, aber es kam von Herzen. Ich seufzte. Die erste Berührung, seit ich aus der langen Stasis heraus war, die sich nicht gezwungen anfühlte. Wenn man von Zavier absah. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter. »Es tut mir leid, dass ich dich gestern so in Verlegenheit gebracht habe.«
»Vorvorgestern«, korrigierte er.
»Stimmt.« Die Zeitabläufe wieder auf die Reihe zu kriegen, war immer ein kleines Problem. »Ich habe noch nie so richtig mit jemandem geflirtet. Ich verstehe die Signale einfach nicht.«
Bren schnaubte leicht. »Die versteht niemand so richtig. Es ist jedes Mal Glückssache. Aber hast du nicht gesagt, du hättest einen Freund gehabt?«
Ich nickte. »Xavier. Aber er und ich brauchten keine Signale zu deuten. Wir kannten uns so gut, wir verstanden uns quasi von allein. Ich kannte ihn von klein auf.«
»Möchtest du mir von ihm erzählen?«, fragte Bren sanft.
Ich holte tief Luft. »Er war der Sohn unserer Nachbarn von nebenan. Ich lernte ihn als Baby kennen, damals war ich sieben. Wir haben zusammen im Garten gespielt, wir sind zusammen aufgewachsen. Er war wie ein kleiner Bruder für mich, und dann ... wurde er irgendwie mein bester Freund. Mein einziger wahrer Freund. Er war der Einzige, der mich verstand, der mir zuhörte. Als wir beide fünfzehn waren – oder ich glaube, er war da schon sechzehn – sind wir ...« Ich musste wieder weinen, und diesmal ließ ich es zu.
Bren drückte mich erneut und schmiegte seine Wange an meinen Kopf. »Es tut mir so furchtbar leid für dich, Rose. Es ist bestimmt hart, dass du dich nicht einmal von deinem Freund verabschieden konntest.«
Doch genau das war das Schlimmste. »Ich habe mich verabschiedet«, sagte ich mit tränenerstickter Stimme. »Ich bin nur nicht mehr dazu gekommen, ihn um Verzeihung zu bitten.«
Das verstand Bren nicht, aber das brauchte er auch nicht. Was ich von ihm in diesem Moment brauchte, war eine Schulter zum Ausweinen.
Ich kam nicht mehr dazu. Eine barsche Stimme hallte durch das Halbdunkel des Kellers und schreckte mich aus meinem Kummer. »Sie sind Rosalinda Samantha Fitzroy. Bitte verhalten Sie sich still für den Irisscan.«
I ch riss mich von Bren los. »Hast du das gehört?«, flüsterte ich und betete, dass er Nein sagte. Lieber wollte ich halluzinieren als tatsächlich von diesem Etwas verfolgt werden.
»Ja. Hallo?«, rief er ins Dunkel. »Wer ist da?«
Es kam nicht gleich eine Antwort, außer von mir. »Koit!«
»Was ist los?«
»Es gibt ihn wirklich!«
Bren guckte verwirrt. »Wen?«
Panisch sah ich ihn an. »Ich habe ihn für einen Traum gehalten, aber ...«
»Stimmabgleich positiv. Bitte stehen Sie still für den Irisscan.«
Mit zusammengekniffenen Augen duckte ich mich weg und zog Bren mit mir. Ich kauerte mich hinter die Kiste und sah mich zu beiden Seiten nach einem Ausgang um, aber da war nichts. Nur Gänge um Gänge aus staubigen Kisten und Kartons. Vielleicht gab es irgendwo so etwas wie eine Waffe ...
»Was soll das?«, wollte Bren wissen.
»Keine Zeit!«, antwortete ich. »Lauf! Er ist hinter mir her, nicht hinter dir!«
»Weglaufen? Und du ...?«
Doch ich war schon losgesprintet.
Er hatte die Zielperson aus den Augen verloren. Sie hatte sich hinter der Kiste versteckt gehabt und war dann durch einen der
Korridore davongerannt. Er aktivierte die Warnung. »Bleiben Sie stehen. Mein Befehl lautet, Sie zu ergreifen und zu überstellen. Sollte sich die Überstellung als unmöglich erweisen, lautet mein Befehl, Sie zu eliminieren.«
Dabei schritt er die Gänge ab. Er konnte weder die Zielperson noch den Nichtkombattanten hören, da sein Gehörapparat nach so langer Zeit im Stand-by-Modus nicht die optimale Leistung brachte. Er verband sich mit dem Netz und suchte nach einem Plan des Kellergeschosses.
STATISTISCHE AUSWERTUNG. VERSTECKMÖGLICHKEITEN NACH GRÖSSE. Er startete ein
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