Während ich schlief
Kraft trat ich auf seinen freizeitmäßig mit Sandale bekleideten Fuß. Er stöhnte und ließ mich los, woraufhin ich nach hinten austrat und ihn mit dem Absatz in die Hoden traf. Er fiel wie ein Hirsch, vor Pein stöhnend.
Derweil hatte der Plastobot sein Gleichgewicht wiedergefunden und stand erneut vor mir, den Kontrollkragen bereithaltend. Mit einer Drehbewegung wirbelte ich auf seine Rückseite und trat ihn in den Hintern. Es war, wie eine Statue zu treten, doch wie eine Statue konnte er auch umstürzen. Der Plastobot neigte sich nach vorn, kippte und landete voll auf Guillory.
Das war meine Chance. Ich rannte zur Tür.
Einer der Aufzüge öffnete sich gerade. Ich sprang hinein und drückte wie verrückt auf den Knopf fürs Erdgeschoss. »Abwärts, abwärts«, rief ich, falls er auch eine Spracherkennung hatte. Inzwischen war ich ziemlich sicher, dass der Plastobot allein arbeitete, sah aber trotzdem mit Erleichterung, als die Tür sich zur Hotellobby öffnete, dass sich dort nur die Gepackträger und die Angestellten am Empfang aufhielten – es sei denn, Guillory hatte sie bestochen, und sie arbeiteten ebenfalls für ihn. Doch niemand versuchte, mich aufzuhalten, als ich durch die vornehme Halle hinaus in die tropische Nacht rannte.
Koit. Was nun? Ich hatte kein Geld, und mein Kreditchip steckte in meinem Fon, was mir nichts nützte, da es immer noch im Bad oben lag, in Gesellschaft des Killers und seines Auftraggebers. Was blieb mir? Nichts. Zum Glück trug ich meine Schuluniform und keinen Schlafanzug, aber das war auch schon alles. Mein ganzes Kapital waren mein unfitter Körper und die Kleider daran. Dann blickte ich auf meine Hände und lächelte.
Ich hatte noch mein Skizzenbuch.
B ren?«, sagte ich.
Mit meiner letzten Münze hatte ich ein paar Minuten in der Holokabine gekauft. Die Kabine war schmuddelig, an den Wänden rannen widerliche Substanzen herunter, und ich sehnte mich mehr denn je nach meinem Fon.
Es läutete siebenmal, ehe Bren sein Gerät vom Nachttisch fummelte. Sein Gesicht, noch auf dem Kopfkissen, erschien in Schräglage in der Holokabine. Er sah schlaftrunken und verletzlich aus, wie ein kleiner Junge. »Rose?«, murmelte er. »Rose, es ist nach Mitternacht, und ich habe morgen Schule. Was ist los?«
»Tut mir leid«, sagte ich. »Nur fünf Minuten, dann kannst du weiterschlafen.«
Bren blinzelte ein paarmal und setzte sich auf. Das Holofon richtete sein Holobild neu aus. »Was gibt’s?«
»Du musst mir mein Solarskiff schicken, damit es mich abholt. Geht das? Dann kannst du wieder ins Bett.«
»Was?«
»Du sollst mir mein Solarskiff schicken, es ist unten in der Garage. Ich weiß, dass du einen Schlüssel hast. Ich habe es nicht mit dem Code verriegelt – du brauchst ihm nur zu sagen, wo es hinfahren soll.«
»Wo willst du denn hin?«
»Ich bin unten beim Schwebebusdepot. Er soll mich dort abholen.«
»Was machst du beim Schwebebusdepot?«
Einem verschlafenen Jungen meine Notlage zu erklären, war schwieriger als gedacht. »Ich habe mir eine Fahrkarte nach Hause gekauft«, sagte ich triumphierend. Es hatte mich etwas Einfallsreichtum und vierundzwanzig Stunden gekostet, aber ich hatte es ganz allein zurückgeschafft.
Die Straßenmusikerin, die ich auf dem Weg nach Nirwana gesehen hatte, hatte mich auf die Idee gebracht. Mit einer Geschichte von einem zwielichtigen Onkel, dem ich aus dem Weg gehen wolle, hatte ich mich auf eine Fähre zu einer der eher auf Massentourismus ausgerichteten Unicorn-Inseln namens Shangri-La geschmeichelt. Überall wimmelte es dort von Touristen und Reisenden, selbst spätabends. Ich hatte mich vor dem Schwebebusbahnhof postiert, ein Schild aufgestellt und angefangen, öffentlich zu zeichnen. Nachdem ich eine Stunde lang für meine Porträts geworben hatte, bekam ich meine erste Kundin. Sie bezahlte mich für eine Skizze von ihrem Freund. Die Leute bezahlen gut für eine hübsche Zeichnung als Andenken, vor allem in einem Urlaubsparadies wie den Unicorn-Inseln. Nach drei weiteren Porträts hatte ich mir das Busticket zurück nach ComUnity und eine fettige Mahlzeit verdient, die ich sogar bei mir behielt.
Ich war ungeheuer stolz auf mich. Mom und Daddy hatten mir immer eingeredet, dass ich nicht allein zurechtkäme, dass ich auf mich selbst gestellt vollkommen hilflos wäre. Vielleicht hatte das damals ja gestimmt, aber jetzt fühlte ich mich nicht mehr hilflos. Ich war in der Lage, mich ohne Geld oder Privilegien
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