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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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ja, erst mal war ich einfach nicht darauf vorbereitet. Seitdem habe ich immer wieder darüber nachgedacht.« Er seufzte. »Es ist schwer zu erklären.«
    »Der Funke springt nicht über, oder was ...?«
    »Das ist es nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Du willst das nicht hören.«

    »Ich glaube, doch.«
    Er zögerte, dann sagte er: »Okay. Es ist so ... Ich weiß, dass ich es in mir habe, mich mit Haut und Haaren in jemanden zu verlieben. Und es ist einfach und unkompliziert, mit dir Zeit zu verbringen. Doch genau das ist Teil des Problems.« Er blickte mir forschend ins Gesicht, und ich bekam einen Kloß in den Hals. »Ich sehe dich an und ... und ich ahne, was Otto sieht, wenn er dich berührt. Lücken. Oder Schlimmeres. Diesen unermesslichen Abgrund in deiner Seele.«
    Das tat weh, aber mir war noch nie aufgefallen, dass in Bren ein Dichter schlummerte.
    »So hat er es jedenfalls ausgedrückt.«
    Ach so. In Otto schlummerte der Dichter. Gut, das passte.
    »Und ich weiß, dass ich es könnte. Ich könnte mich in dich verlieben, wirklich viel für dich empfinden. Aber wenn ich das täte, würde ich ganz viel von mir selbst in diesen Abgrund werfen, immer mehr, und es würde ihn noch nicht mal ansatzweise füllen, Rose. Du brauchst einfach mehr, als ich dir geben kann. In dir ist so viel Schmerz, ich könnte das nie heilen. Und das würde ich wollen. Ich würde verkümmern und verwelken, bevor es auch nur langsam mit dir bergauf ginge. Letztendlich wären wir beide schlechter dran miteinander.«
    Ich stöhnte. Er hatte recht. Was ich für ihn empfand, war keine echte Liebe, aber es war mehr als Begehren. Es war ein Verlangen. Und nicht einmal ein Verlangen nach ihm, sondern nach etwas. Nach allem und jedem.
    Nach allem, was ich verloren hatte.
    »Es tut mir leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe«, sagte ich.
    »Hör auf, dich dafür zu entschuldigen, dass du geboren bist«, erwiderte Bren kopfschüttelnd. »Du kannst dich verknallen, in wen du willst, das ist dein gutes Recht. Du hast nicht das Geringste
falsch gemacht, seit ich dich kenne. Das Ganze hier ist nicht deine Schuld, Rose.«
    Aber das war es. Es war meine Schuld, allein schon, weil ich existierte.
    Kurz darauf kamen wir am UniCorp-Gebäude an.
    Es war ein riesiger, himmelhochragender Koloss, der dem Chrysler-Building, einem Art-Deco-Wolkenkratzer aus dem vorigen Jahrtausend, nachempfunden worden war. Aus praktisch jeder Familie in ComUnity arbeitete mindestens ein Mitglied dort, und sei es nur als Wachmann oder Reinigungskraft. Es stand einzeln in einem Park aus Wiesenflächen und überragte das übrige Viertel so eklatant, dass ich es schon immer ein wenig albern gefunden hatte. Baugrundstücke waren jedoch so rar und wertvoll gewesen vor der Dunklen Epoche, dass man leichter die Genehmigung für einen Wolkenkratzer bekam als für einen ausgedehnten, dezentralisierten Komplex, was die Alternative für das expandierende Unternehmen gewesen wäre. Außerdem war es eine Prestigefrage.
    Bren klopfte an das raketensichere Portal aus NeoGlas. Auf der anderen Seite des weitläufigen Marmorfoyers blickte ein gelangweilt wirkender Wachmann aus einer schwach beleuchteten Nische voller Überwachungsmonitore herüber. Er lächelte, als er Bren erkannte. »Wollen Sie Ihren Großvater besuchen?« , fragte er, als er uns aufmachte.
    »Ja, er erwartet uns.«
    »Melden Sie sich auf dem Weg nach oben per Irisscan an«, sagte er noch. Als könnte man das umgehen. Der Irisscanner registrierte automatisch jeden, der das Gebäude betrat oder verließ.
     
    ZIELPERSON IDENTIFIZIERT. IRISSCAN POSITIV: ROSALINDA SAMANTHA FITZROY.

    Er wurde munter. Er hatte damit gerechnet, die Zielperson endgültig verloren zu haben.
    AUFENTHALTSORT BEKANNT: UNICORP-GEBÄUDE.
    Er durchlief die übliche Routine, das Netz nach dem Auftraggeber zu durchforsten und die zweite Direktive zu initiieren, als dieser nicht auffindbar war. Der Gleiter, den er an sich gebracht hatte, um auf die Insel zu gelangen, war vermutlich von der Polizei beschlagnahmt worden, doch sein plastinierter Verstand war mit zunehmendem Gebrauch flexibler geworden. Er wusste, dass er jetzt über eine neue, schnelle Schwebejacht verfügen konnte. Ehe er sich vom Boden aufhievte, um die Verfolgung aufzunehmen, setzte er seine Nanobots darauf an, seinen Körper erneut zu reinigen. Blutzspritzer hatten es an sich, die Menschen in seiner Nähe zu ängstigen und seine Suche nach der Zielperson zu verzögern.



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