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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Vermutlich ist es momentan nicht gefährlich hineinzugehen.“
    „Dann gehen wir mit“, verkündete Harald. „In deiner Nähe sind wir am sichersten.“
    Johannes war anzusehen, dass er davon nicht überzeugt war. Außerdem durchschaute er wohl Harald, der in erster Linie in der Nähe dieser attraktiven Frau sein wollte. Wenn Harald keine Scherze machte, führte er stets etwas im Schilde. Und das konnte nur bedeuten, dass er bei Margarete zu landen versuchte.
    Sie holten sich die Erlaubnis der Polizei, das Schulhaus noch einmal zu betreten. Die Dozentin von Falkengrund hatte Kreide mitgebracht, mit der sie Zeichen an die Wände malte. Nachdem sie auf diese Weise das Erdgeschoss verschönert hatten (das Schulgebäude wirkte mit den vielen komplizierten Symbolen wie ein Ort aus einem Fantasyfilm), bestieg Harald ohne nachzudenken die Treppe nach oben.
    „Gehen wir zuerst nach unten“, stoppte ihn Margarete.
    Das Untergeschoss mit seinen Lagerräumen und selten genutzten, irgendwie provisorisch anmutenden Klassenzimmern war wie eine andere Welt. Von kalten Leuchtstoffröhren spärlich beleuchtet, ganz ohne natürliches Licht, löste es Unbehagen aus. Margaretes Kreidezeichnungen machten es nicht besser. Sie öffnete eine Metalltür, stellte fest, dass sie in die Tiefgarage führte, ließ sie wieder zufallen und bedeckte sie von oben bis unten mit ihren Symbolen.
    „Hörst du das?“, meldete sich Harald. Er sprach nur noch mit der Frau, ignorierte Johannes völlig. „Motorengeräusche.“
    Es hörte sich an, als fahre ein Auto in die Garage ein. Margarete, die sich schon von der Tür entfernt hatte, eilte zurück und versuchte sie zu öffnen. Ohne Erfolg. Die Klinke, die sich eben noch problemlos hatte drücken lassen, war nun unbeweglich geworden! Die gesamte Oberfläche hatte sich verändert, war ein Geflecht aus Metallfasern. Die Kreide blätterte wirkungslos ab, als sich die Tür in ihrer Form veränderte und sich in den Flur hereinwölbte wie ein elastisches Tuch.
    Die Dozentin sprach ein paar Worte in einer fremden Sprache, doch auch sie zeitigten keine Wirkung.
    Johannes hatte die Flucht ergriffen, und Harald tat es ihm gleich. Sie kamen beide nicht weit. Die Treppe unter ihren Füßen wurde zu einem sumpfigen, klebrigen Etwas. Johannes war kurz davor, die oberste Stufe zu erreichen, doch seine Füße versanken in dem Morast. Es gab nichts, um sich festzuhalten. Seine Hände rutschen an den glatten Wänden ab, verschmierten die ohnehin nutzlosen Kreidezeichen. Harald, der einige Stufen unter ihm dasselbe Schicksal erlitt, schrie wie am Spieß.
    Pflanzenartige Auswüchse drangen aus der Decke wie Girlanden. Sie lebten, bewegten sich, obwohl sie nur aus Stein sein konnten. Harald griff danach und zog sich daran aus dem Sumpf heraus. Doch die Auswüchse trugen ihn weiter herab, und es war nur eine Frage der Zeit, bis er erneut in den Morast unter seinen Füßen eintauchen würde.
    Die Wände kamen jetzt näher. Es war eindeutig keine Mechanik, die hinter diesen Bewegungen steckte. Sie verschoben sich nicht, sie wölbten sich heran, bildeten riesige Beulen, als verforme sich das gesamte Haus unter einem gewaltigen Druck.
    Johannes hatte es geschafft, sich an der oberen, noch harten Stufe festzuklammern, doch es gelang ihm nicht, seinen Körper aus dem Schlamm zu ziehen. Margarete rief etwas. Sie wurde von der sich weiter aufblähenden Tür immer weiter in den Flur hinein gedrückt, bis auch ihr nur der Weg in den Sumpf der Treppe blieb.
    Ein Zittern durchlief das Haus, doch es war nicht wie bei einem Erdbeben. Es hatte etwas Organisches an sich.
    Leben strömte durch die Schule. Eine unermessliche, alles hinwegspülende Menge pervertierten, unnatürlichen Lebens. So stark, dass tote Dinge wie Stein und Metall sich bewegten, atmeten, pulsierten.
    Harald musste unwillkürlich lachen, als ihm klar wurde, dass es nichts als eine Überdosis Leben war, die ihnen den Tod bringen würde …

10
    Plötzlich zersplitterte die Seitenscheibe des Ferraris. Tim hatte Angst und Ekel überwunden und in dem lebendig gewordenen Inneren des Wagens nach etwas Hartem gesucht. Irgendein Metallteil war es, das aus dem Boden in das weiche, nachgiebige Innere ragte. Er hatte daran gerüttelt und es gelöst – und es dann mit einem Schlag, in dem die ganze Kraft seiner Todesangst steckte, gegen die Scheibe geschleudert.
    Während die Polizisten zurückwichen, streckte Karla ihre Hände aus. Tim griff danach, und sie zog ihn heraus.

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