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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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verzerrte sein Gesicht, sein Mund war riesengroß, und sie hörte seine wimmernden Schreie. Zunächst dachte sie, die Angst vor geschlossenen Räumen sei es, die seine Aufregung entfachte. Dann ging sie näher heran und erkannte, wie das Innere des Wagens aussah: ein bizarres Gebilde mit Sehnen und Blutbahnen, verschmolzen mit dem Auto. Das Fahrzeug lebte! Und auf dem Fahrersitz saß tatsächlich niemand.
    „Schnell!“, rief sie den keuchend herankommenden Polizisten zu. „Wir müssen Tim befreien!“
    Der Ferrari ruckte, aber er fuhr nicht los. Fassungslos scharten sich die drei Menschen um das Auto, starrten ins Innere. Einer der Beamten fluchte, der andere sprach ein Gebet. Sie zerrten an den Türgriffen. „Kommen Sie heraus“, schrie der Polizist mit der Waffe Tim an. „Verlassen Sie sofort den Wagen, oder ich schieße.“
    Etwas sagte Karla, dass der Mann nicht schießen würde, und sie war unendlich dankbar dafür. „Wir brauchen einen Hebel, um die Tür aufzubrechen“, sagte sie. „Oder eines dieser Geräte, mit denen man nach Unfällen Leute aus den Autos schneidet.“ Die beiden Männer sahen sie nur mit großen Augen an.
    Hilflos standen sie um den Ferrari herum, während Tim im Inneren den Verstand zu verlieren drohte. Karlas Magen verkrampfte sich zu einem winzigen Ball, als sie sein Gesicht durch die Seitenscheibe sah. Hatte es so ausgesehen, als sie ihn in diesen Schrank gesperrt hatten? Sie empfand entsetzliches Mitleid mit ihm. Damals wäre es ein Leichtes gewesen, ihn zu befreien. Sie hätten nur den Riegel zu lösen brauchen – und sie war sicher, dass sie es getan hätten, hätten sie sein Gesicht sehen können.
    Nun sah sie es und konnte doch nichts tun.

9
    Wenige Minuten zuvor …
    Margarete Maus, Harald und Johannes standen noch vor dem Schulgebäude in der Menge.
    „Der Wagen von Siegfried Quetz sollte damals von einem Beamten zum Revier gefahren werden“, erklärte Margarete den beiden Jungen. Damit erzählte sie ihnen nichts Neues, doch als sie weitersprach, glaubten sie ihren Ohren nicht trauen zu können. „Der Ferrari entwickelte ein Eigenleben. Der Polizist Rick Aufdemberg musste ihn mitten auf der Fahrbahn abstellen, als er die Kontrolle über ihn zu verlieren drohte. Und als er ausgestiegen war, fuhr der Wagen von alleine weiter.“
    „Du meinst, ohne Fahrer?“
    Margarete nickte. „Man hat nach ihm gesucht, konnte ihn jedoch nicht finden. Allerdings wurde er an dem Tag, an dem es geschah, hier gesehen, auf diesem Parkplatz vor der Schule. Der Hausmeister …“ Sie suchte nach dem Namen.
    „Thorsten Schindler“, half ihr Johannes weiter.
    „Danke. Thorsten Schindler, der hier mit Reparaturarbeiten beschäftigt war, sah ihn neben seinem eigenen Wagen stehen. Und dann hatte der Hausmeister ein paar … Erlebnisse, die ihn dazu veranlassten, in wilder Panik das Haus zu verlassen. Er sprach von Spuk. Und hier komme ich ins Spiel. Ich beschäftige mich mit übersinnlichen Vorfällen. Der Rektor hier hatte irgendwann einmal von mir und der Schule gehört, der ich angehöre – Falkengrund im Schwarzwald.“
    „Sind Sie Lehrerin?“ Johannes blieb beim Sie.
    „Ja. Lehrerin für Okkultes.“ Sie lächelte, was ihre Worte auch nicht leichter verdaulich machte.
    „Was geht hier vor?“
    Margarete holte tief Luft. „Möglicherweise haben wir es mit einem Rachegeist zu tun. Oder mit einem anderen magischen Phänomen.“ Ihre Miene wurde ernst und ein wenig unsicher. „Ich habe mich in den Fall einführen lassen. Heinrich Senk, der Vater von Karla Senk, hat eure Mitschülerin Gina getötet und hatte es vermutlich auch …“
    „… auf uns abgesehen“, vervollständigte Harald den Satz, als sie zögerte. „Heißt das, seine Seele steckt in dem Wagen und versucht nun das zu vollenden, was sie zu Lebzeiten nicht geschafft hat?“
    „In solchen Bahnen müssen wir denken.“
    „Glauben Sie an den Teufel?“, warf Johannes ein, etwas zusammenhanglos, wie Harald fand.
    „Im Prinzip ja“, erwiderte Margarete. „Nun denke ich nicht, dass wir ihn immer gleich bemühen müssen, wenn etwas Ungewöhnliches geschieht.“
    „Was tun wir jetzt?“, wollte Harald wissen.
    „Jetzt, wo die Schule evakuiert ist, werde ich noch einmal zurückgehen und versuchen, einige Vorkehrungen zu treffen. Abwehrzauber, sozusagen. Ich weiß nicht, ob es funktioniert – das weiß man vorher nie –, aber es könnte helfen, die Schule wieder sicher zu machen. Der Ferrari hat sich entfernt.

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