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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Frederic.“
    Die glühende Spitze der Zigarre, die sie im Mund hatte, flammte auf. Ihr Herz klopfte, doch sie war stark genug, um sich zu beherrschen und die Zigarre nicht von sich zu werfen. Die windstille Zone breitete sich immer mehr aus, die flatternden Blätter kamen zur Ruhe, die Möbel glommen in einem schönen fahlen Licht, das wie Mondschein war, aber nicht aus dieser Welt kam.
    An einem der Schreibtische saß für eine Sekunde eine Gestalt und verblasste wieder.
    Clarence erkannte ihren Mann, und die Stimme versagte ihr. Sie schluckte und nahm noch einen Zug von der hell brennenden Zigarre. Den Rauch stieß sie mit voller Absicht in die Richtung aus, wo Frederic eben zu sehen gewesen war. Wieder zeichnete sich seine Gestalt ab, diesmal im Rauch und deutlicher als zuvor.
    „Frederic!“
    „Clarence“, kam die Antwort, und es war eindeutig seine Stimme, auch wenn sie verzerrt klang, wie durch den Lautsprecher eines vorsintflutlichen Radiogeräts. „Unglaublich … es geht so leicht heute … als wäre nur eine dünne Wand zwischen uns … wie Papier … Ich kann dich sehen …“ Sie verstand jedes einzelne Wort, sogar dann noch, als der Rauch sich verzog und seine Gestalt wieder verschwand. Hastig nahm sie einen zweiten Zug, doch sie musste husten, und es wurde nichts.
    „Frederic“, keuchte sie. „Ich liebe dich. Ich liebe dich immer noch.“
    Die Tischplatte des Schreibtisches knarrte ein wenig, als stütze sich ein Unsichtbarer darauf ab. Die schwingenden Geräusche von draußen wurden lauter. Ein riesiges Wesen schien auf einer gewaltigen Harfe zu spielen, die sich durch den gesamten Garten spannte. Eine Melodie, wie Menschen sie komponiert haben konnten, war nicht auszumachen. Die Harmonien stimmten nicht, die Intervalle waren winzig, Viertel- oder Achteltonschritte vielleicht.
    „Ich komme zu dir, Clarence …“ Einige Herzschläge lang stand der Mann in aller Deutlichkeit vor dem Schreibtisch. Wie er sich auf den Tisch stützte, drückte seine Haltung Müdigkeit aus, doch es konnte auch sein, dass er sich nur konzentrierte. Langsam hob er seinen Kopf.
    Die unheimliche Musik wurde lauter. Als Clarence den Blick von ihm abwandte, erkannte sie das Gespinst vor dem Haus, das wie ein großes Spinnennetz anmutete. An einigen Stellen schien es sogar durch die Wände hindurchzugehen. „Siehst du das auch, Frederic?“, fragte sie leise.
    „Was? Was meinst du?“
    Er war jetzt bei ihr wie ein lebender Mensch. Sein Körper nicht mehr durchscheinend, seine Stimme nicht mehr verzerrt. Lediglich seine Konturen wirkten noch ein wenig verwischt, als zerre ein Sog daran, den sie nicht spüren konnte.
    Das Jenseits?
    Plötzlich stieß Frederic einen Schrei aus. Ihr ganzes Leben lang hatte sie ihn nie so schreien hören, auch nicht damals, als er starb, und nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen. Sein Körper kippte nach vorne, fiel auf den Schreibtisch. Die Bücher, die dort lagen, verkohlten. Seine Hand griff nach der Tischkante, doch diese wurde unter seinem Griff zu Asche, und der Zug an seinen Konturen verstärkte sich. Ein unsichtbarer Strudel zerrte ihn weg, riss seinen Körper in Einzelteilen mit sich.
    Clarence wandte sich um und duckte sich, als ihr Frederic in flirrenden Fetzen über sie hinweg glitt. Durch die geöffneten Fenster wurde er gesogen, und die Stücke verfingen sich an dem Netz, das dort im Garten aufgespannt war. Seine Schreie gingen nahtlos über in die unirdische Musik der Saiten, die sein zerrissener Geistkörper anstieß und zum Schwingen brachte. Eine Minute lang war der Lärm so laut, dass Clarence fürchtete, entweder die Netzfäden müssten reißen oder ihre Trommelfelle.
    Sie stürzte zu einem der Fenster und starrte hinaus.
    Hinter dem Netzwerk, das an einigen Stellen leuchtete und aufblitzte, waren Gestalten zu erkennen, schattenhaft und bizarr. Sie bewegten sich auf eine unbeschreibliche, ruckartige Weise vorwärts.
    Die alte Frau sah zu, wie sie das verrückte Gebilde in ihrem Garten wieder einzogen, beinahe wie Fischer ein gefülltes Netz aus dem Wasser zerrten. Die Schemen verschwanden bald, und sie lehnte weiter wie gelähmt auf dem Fensterbrett und starrte in die Nacht, stundenlang, reglos, ohne etwas zu begreifen. Bis jenseits des märchenhaften Waldes, hinter den hohen Hecken, der Himmel sich langsam grau färbte und der Morgen sich ankündigte.
    Erst dann warf sie einen neuen Blick auf das Innere des Zimmers. Die Gegenstände, die sie dort zusammengetragen

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