Waffenschwestern
verspiegelt.«
»Ich funke sie an und sage ihr, sie soll mal sehen, ob sie Ihr Leck nicht stopfen kann.«
»Nein – das ist zu gefährlich.«
»Es wird noch gefährlicher, wenn Sie das Bewusstsein
verlieren und nicht mehr helfen können, den Schlitten
heranzuführen.«
Sie sah den Wechsel in Bruns Gesichtsausdruck, obwohl
Meharry den Funkspruch nicht in Esmays Helm weitergeleitet 603
hatte. Dann schlängelte sich Brun, schob einen Arm durch die Gurte, die an der Liege hingen, und griff hinter Esmay. Ihr Arm war nicht lang genug; sie klopfte Esmay auf die Schulter.
Falls Esmay mit einer Hand losließ und sich umdrehte,
konnte Brun vielleicht die Problemstelle erreichen, welche auch immer es war. Aber Esmay verlor vielleicht auch den Halt an der Liege – und sie fanden sie dann womöglich nicht. Brun klopfte jetzt fester zu. Esmay lächelte vor sich hin. Welche Verletzungen Brun auch immer erlitten hatte, sie hatten einige Wesensmerkmale nicht verändert. Vorsichtig und langsam löste Esmay auf dieser Seite ihren Griff vom Bettrahmen und verlagerte die Hand an einen der Greifgurte an Bruns
Raumanzug. Brun schlängelte sich weiter. Die Luftanzeige fiel weiter … stabilisierte sich … bei acht Minuten.
»Acht Minuten«, gab Esmay an Meharry weiter.
»Sie hat wirklich das Glück auf ihrer Seite, diese Frau«, sagte Meharry. Sie sagte jedoch nicht, ob acht Minuten reichten.
Esmay redete sich zu, dass eine Minute Sauerstoffentzug von jedem zu verkraften war. Brun stieß an sie, streckte einen Arm und ein Bein aus.
Was tat diese Idiotin da … oh! Sie bremste die Rotation ab.
Esmay streckte ihre Beine zur anderen Seite aus. Der
verwirrende Wirbel von Aussichten wurde langsamer, während sie fast quer zueinander lagen und zusammen mit dem Bettrahmen ein Rad aus sechs Speichen bildeten, das langsam durchs All rollte.
Dann griff Brun mit dem in den Gurten verwickelten Arm
nach oben und schob Esmays Spiegelabschirmung hoch, ehe Esmay sie aufhalten konnte. Bruns Augen weiteten sich. Dann 604
grinste sie, ein so schelmisches und fröhliches Grinsen, wie Esmay es in diesem Gesicht nur je gesehen hatte. Mit demselben Arm löste Brun den wärmesicheren Beutel mit den intravenösen Flüssigkeiten, der mit Klebeband am Bettrahmen befestigt war, und setzte mit vollem Bedacht die aufmontierte Antriebs-schraube ihres Handschuhs ein, um ein Loch hineinzustechen.
Dann blinzelte sie Esmay zu, blickte an ihr vorbei, drehte den Beutel und drückte ihn zusammen.
Ein Strom Salzlösung spritzte hervor und verwandelte sich sofort in einen Sprühnebel aus Eiskristallen, die in der Sonne glitzerten. Esmay fragte sich, ob Brun gerade völlig verrückt geworden war. Dann wurde ihr klar, worauf Brun abzielte. Was sie damit auch immer bewirkte – sie benutzte die intravenöse Flüssigkeit als Reaktionsmasse, um sie beide schneller zur Station zurückzubringen.
Esmay tat ihr Bestes, um still zu halten, sogar als ihr die Luft ausging und der Hunger nach Sauerstoff sie überwältigte, sie drängte zu rennen, zu kämpfen, sich wieder aus dem dunklen erstickenden Tunnel freizustrampeln, der das Leben aus ihr herauspresste.
Sie hörte Stimmen, ehe sie etwas sah, die gleichmäßigen, ruhigen Stimmen von Ärzten, und irgendwo hinter diesen eine ganz schöne Menge Flüche und Schreie.
»Was macht ihr pO2?«
»Steigt. Haben sie noch rechtzeitig bekommen…«
»Wir brauchen hier drüben noch eine weitere Sprühdose …«
»Mein Gott, was haben die nur mit ihnen gemacht?«
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»Es war das Pferd, denke ich…« Das sagte eine zögernde, weiche Stimme.
Esmay öffnete die Augen und sah, wie sich unbehelmte
Gesichter über sie beugten. Sie wollte die logische Frage stellen, aber sie kam nicht dazu. Eine der Ärztinnen kam ihr damit zuvor.
»Wir sind wieder im Shuttle. Unsere Zielpersonen sind am Leben und wurden bei der Schießerei nicht verwundet. Wir haben zwei Tote auf unserer Seite und acht Personen mit geringfügigen Verletzungen. Die Station ist weitgehend dahin, und irgendwo weiter oben wird noch gekämpft. Und jetzt, wo wir Sie wieder bei uns haben, brauchen wir uns keine Sorgen mehr um Sie zu machen.« Die Ärztin blinzelte. »Aber ich muss Ihre geistige Verfassung prüfen.«
Esmay holte tief Luft und spürte erst jetzt, dass ihr nach wie vor etwas in der Nase steckte und sie mit Sauerstoff versorgte.
»Mir geht es gut«, sagte sie. »Was geht sonst vor?« Sie wollte sich aufrichten, aber die Arztin drückte sie
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