Wage den Schritt ins Glueck
hatte sienicht unbedingt mit Rafael Santini verbunden. Sie war seine Geliebte gewesen, seine Sexgespielin, die er genommen und beiseitegeschoben hatte, wie es ihm gerade passte. Er hatte sich mit ihr gern in der Öffentlichkeit geschmückt, tiefere Gefühle waren bei ihm jedoch nie im Spiel gewesen.
„Na ja, jedenfalls brauche ich eine Story mit Tiefgang“, fuhr Cliff fort. „Ich will Einzelheiten, Einblicke in Santinis Seelenleben, wie ihm unmittelbar vor einem Rennen zumute ist, einen Knüller, der den Mann hinter der Legende zeigt …“
„Du willst wissen, mit wem er schläft“, unterbrach Eden ihn ironisch. Vor fünf Jahren hatten sie bei der „Gazette“ gemeinsam als Jungreporter angefangen, doch seit Langem entwickelten ihre Karrieren sich völlig unterschiedlich. Cliff war in Wellworth geblieben, hatte seine Jugendliebe geheiratet und sich zum Chefredakteur emporgearbeitet. Eden hingegen verfügte über einen Ruf als angesehene, furchtlose Auslandskorrespondentin und berichtete als Krisenreporterin aus dem Unruheherd der Elfenbeinküste. In den letzten drei Jahren hatte Eden sich irgendwie durchgeschlagen, jetzt brauchte sie eine Atempause und Zeit, um neue Kräfte zu sammeln.
Ihren Eltern hatte Eden versprochen, zu Hause im Garten zu entspannen. Doch nach einem Monat Nichtstun hatte sie es einfach nicht mehr ausgehalten und war dankbar für Cliffs Angebot gewesen, wieder für die „Gazette“ zu arbeiten. „Schräge Sachen mache ich nicht“, hatte sie ihn gewarnt. „In dem Jahr mit Rafe habe ich erfahren, wie es ist, wenn man sich in den Schlagzeilen der Sensationspresse wiederfindet und aller mögliche Mist über einen geschrieben wird.“
Eden verbannte die unerfreulichen Erinnerungen und notierte sich, dass Rafe in nächster Zeit weiter Formel-1-Rennen fahren wollte. Gerüchten zufolge stand es um die Gesundheit seines Vaters Fabrizio Santini nicht zum Besten. Er könne es nicht verkraften, dass sein jüngerer Sohn Gianniseit dem Unfall gelähmt war, hieß es. Auch wurde gemunkelt, Fabrizio wolle Rafael die Leitung der Santini Corporation übertragen, aber Eden nahm diese Vermutungen nicht ernst. Rafe würde das Rennen nie aufgeben. Es lag ihm einfach im Blut, er brauchte die Geschwindigkeit, den Nervenkitzel, den Wettkampf. Nicht umsonst hatte er sich seit zehn Jahren immer wieder erfolgreich auf der Siegertreppe behauptet.
Rafe war nun mal nicht wie andere Männer. Er hatte etwas Wildes an sich, das ihn Risiken eingehen ließ, die andere für Wahnsinn hielten. Doch stets schaffte er es irgendwie, glücklich davonzukommen. Viele hatten versucht, es ihm nachzutun, nicht zuletzt sein jüngerer Bruder Gianni, bis die Rivalität zwischen den Brüdern jedes vernünftige Maß gesprengt und schließlich zu Giannis schrecklichem Unfall geführt hatte.
Im Konferenzsaal war es warm. Ein dicker Journalist neben Eden jonglierte schwitzend seinen Notizblock und einen Plastikbecher Kaffee. Dann fiel ihm der Schreiber aus der Hand, er beugte sich vor, um ihn aufzuheben, und goss dabei heißen Kaffee über Edens Schoß.
„Ach, verflixt … tut mir leid, meine Liebe“, brummelte er, als Eden mit einem kleinen Schrei aufsprang und verzweifelt versuchte, dem sich ausbreitenden Fleck mit einem Papiertaschentuch Einhalt zu gebieten.
„Ja, die junge Dame in der Ecke“, entschied Rafes Agent auf dem Podium.
Langes Schweigen folgte.
„Er meint Sie“, flüsterte ein anderer Reporter Eden zu.
Ihr schoss das Blut ins Gesicht, und sie setzte sich rasch wieder. „Ich habe keine Frage“, wehrte sie ab.
Der Reporter seufzte ungeduldig. „Dann lassen Sie sich was einfallen, ehe Santini genug hat und das Interview abbricht. Er ist nicht der Allergeduldigste.“
Eden merkte, dass sie durch ihr Schweigen neugierige Blicke auf sich zog, und atmete tief ein. Ihr blieb nichts anderes übrig, als irgendetwas zu sagen, deshalb fragte sie das Erstbeste, das ihr in den Sinn kam: „Mr. Santini, sind Sie besonders am Wellworther Zentrum für Wirbelsäulenverletzungen interessiert und unterstützen Sie es finanziell, weil Ihr Bruder beim Großen Preis von Ungarn schwer verunglückt ist?“
Ein Raunen ging durch die Menge, weitere Reporter drehten sich zu Eden um. Sie drückte sich tiefer in den Sessel und konnte nur hoffen, ihre Stimme so gut verstellt zu haben, dass Rafe sie nicht erkannte. Es ist vier Jahre her, versuchte sie sich einzureden. Wenn ich Glück habe, speist er mich mit einer kurzen Antwort ab und
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