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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Wahnsinn. Ich hatte sie geradezu herausgefordert zu handeln.
    Auf dem Weg nach Hause rief ich Vesna an. Zwei Minuten später stieg sie zu mir ins Auto. Sie zeigte mir ein langes Küchenmesser, das sie in ihre Tasche gesteckt hatte. »Für alle Fälle«, sagte Vesna.
    In meiner Gasse fand ich keinen Parkplatz, und so kurvten wir einige Male um die Häuserblocks. Wir würden einige Straßen zu Fuß gehen müssen. Es war noch nicht einmal zehn. Ein kalter Nordwind wehte. Ich erinnerte mich an die Szene im Prater: die Männer, die auf den Toten mit dem Messer in der Brust niederschauten, und dazwischen Droch in seinem Rollstuhl. Die Straßen waren beinahe menschenleer. Wir beschlossen, die Nebengassen zu meiden. Kurz vor meinem Haus drückte mich Vesna am Arm, und wir duckten uns in einen Eingang. Da war ein Geräusch gewesen.
    Die Frau, die nun mit ihrem Pudel aus dem Haus trat, zuckte zusammen: zwei verdächtige Frauen im Hauseingang.
    Wir konnten darüber nicht lachen, hasteten weiter, erreichten die Einfahrt. Ich sperrte die Haustüre auf, und Vesna sagte: »Ich bleibe.«
    »Und die Zwillinge?«
    »Mein Mann ist da. Und die Schwester zu Besuch.«
    »Du hast Besuch? Da kannst du doch nicht bei mir Kindermädchen spielen. Ich habe mich schon abgeregt. Es ist nichts passiert.«
    »Ich habe der Schwester gesagt: Bis morgen.«
    Wir gingen nach oben. Ich sperrte die Wohnungstür auf und machte entgegen meiner Gewohnheit in allen Zimmern sofort Licht. Gismo zwinkerte erstaunt. Sie hatte sich – wie immer, wenn ich nicht daheim war – vor der Schlafzimmertür eingerollt. Vorsichtig schlichen wir von Raum zu Raum. Vesna hatte das Messer in der Hand. »Wir müssen lächerlich aussehen«, murmelte ich.
    »Besser lächerlich und vorsichtig«, erwiderte Vesna. Sie legte ihr Messer auf das Telefonkästchen im Vorraum.
    Am nächsten Morgen kam uns das Messer im Vorzimmer zutiefst melodramatisch vor. Vesna steckte es beinahe verschämt in ihre Tasche, bevor sie nach einem ausgiebigen Frühstück ging.
    Im grellen Licht der Herbstsonne sah alles anders aus. Droch allerdings fand das nicht. Er reagierte wütend. »Wenn du dich umbringen willst, nur zu. Viel Vergnügen, Heldin. Ich hätte dich nicht für so dumm gehalten. Das hat mit Mut nichts zu tun, weißt du das? Ich hätte dir nie helfen sollen. Du kannst nicht einschätzen, worauf du dich einlässt, und von Politik hast du keine Ahnung. Und von Menschen schon gar nicht. Du hast keine Ahnung und stolperst mit deinen großen braunen Augen einfach so rein. Hallo, ich bin’s, Mira. Und ich werde euch jetzt alle zur Strecke bringen. Und wenn nicht, sehe ich auch als Leiche gut aus. Gratuliere.« Er starrte mich böse an.
    Mir kamen die Tränen. Ich vertrug solche Angriffe nicht. Aber gerade ihm würde ich das nicht zeigen. Er hatte sich entlarvt. »Vesna ist da anders. Sie hat mich nicht beschimpft, sondern ist sofort gekommen, und wir haben gemeinsam …«
    »Schön, dass es Menschen wie Vesna gibt. Eine bosnische Putzfrau mit einem Küchenmesser und Mira, die Mutige.«
    »Du brauchst mir nicht zu helfen. Und ich will auch nicht mehr, dass du es tust. Was ich getan habe, war die einzige Chance, um in dieser Sache weiterzukommen.«
    »Und du hast dir das alles selbstverständlich lange überlegt und dann bei der passenden Gelegenheit durchgezogen.«
    »Ich …«
    »Du bist wie ein Kind, du lässt dich von deinen Gefühlen treiben. Einmal hierhin, einmal dorthin. Mira, die Gefühlvolle. Mira, die Mutige, Mira, die alles schon irgendwie in den Griff bekommen wird. Mira, die Politik so langweilig findet, dass sie ein Mordkomplott vermutet.«
    »Du bist es, der das die ganze Zeit vermutet.«
    »Unwahrscheinlich, aber möglich. Das reicht.«
    »Verdammt, es ist nichts passiert. Wären es Mörder, hätten sie schon zugeschlagen.«
    »Vielleicht überlegen andere mehr, bevor sie handeln. Die Aktionen bei Bellini-Klein und bei Schmidt waren nicht schlecht organisiert, wenn sie organisiert waren. Schon vergessen?«
    »Willst du mir Angst machen? Plötzlich hältst du es also für Mord? Du bist zwar nie dabei, aber du weißt alles. Danke.«
    Ich knallte die Tür ins Schloss. Ich ging in mein Zimmer und warf noch eine Türe zu. Gut, ich hatte meinen einzigen Verbündeten verloren. Wenn er so war, dann war er kein Verbündeter. Dann war es besser so. Außerdem hatte ich noch Vesna. Auf die war Verlass. Was hieß, Mira, die Mutige? Es war eben passiert, und da konnte man doch nicht so tun, als

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