Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
gerade jetzt auf?«
»Es gibt Zufälle.«
»Hier gibt es verdammt viele Zufälle. Vor allem wenn ich daran denke, wie sorgfältig der Wahlkampf geplant ist.«
»Mord inklusive?«
»Jedenfalls … Ich bin ganz dumpf im Kopf.« Ich stand auf.
»Wir haben zu wenig geschlafen.«
Eine Stunde später starrte ich auf die Kopie des anonymen Briefes. Zurück zum Anfang, zu Bellini-Klein. Er hätte etwas vom Schwarzgeld wissen können. Er hatte versucht, Orsolics zu erpressen, und musste sterben. Also doch die Schläger? Aber dann hätten sie gestern wohl kaum angerufen. Und wer hatte dann den Brief geschrieben? Hofer konnte von den Gläsern nichts wissen, außer er war der Mörder. Und wie passte das wieder mit dem Schwarzgeld zusammen? Waren das zwei voneinander unabhängige Geschichten?
»Mord an« war in einem ausgeschnitten, »Klein« auch, »Bellini« war aus einzelnen Buchstaben zusammengestoppelt. Ich glaubte die Zeitung, aus der die Buchstaben stammten, zu erkennen. Aber das war auch noch keine Spur. Ich seufzte. Auf mich und Vesna war geschossen worden. Das waren keine Kinoschüsse gewesen. Jetzt wollte niemand etwas davon wissen. Da hingen mehr Menschen drin, als es den Anschein hatte. Keine Weltverschwörung, aber …
Notizen. Ich sollte mir Notizen machen. Meine Gedanken entglitten mir. Ich nahm einen Schluck Whiskey. Auf Ihr Wohl, Herr Jameson. Ich fragte mich, wie lange er mich stärken und ab wann mir schlecht werden würde. Auch schon egal. Ich hatte in Drochs Taschentuch geweint. Ich hatte die Angst in seinem Gesicht gesehen. Diese Nacht hatten wir gemeinsam verbracht, in einem abgefuckten Nachtcafé. Und er hatte einige melodramatische Sätze über seine Ehe gesagt. Alles nicht mehr wahr.
Also, zurück zu Bellini-Klein. Ich nahm die Kopie der Rückseite des Briefes. »Bellini-Klein«, schrieb ich darauf und dann: »Fischer. Orsolics. Die Schläger. Hofer.« Dann malte ich überall ein Fragezeichen dazu.
»Theorien«, schrieb ich darunter. Das Blatt war nicht ganz weiß. Mieser Kopierer, egal. Ich schaute noch einmal hin und ging zum Fenster, »ag, 24. Augu«. Ich verglich die Kopie der Rückseite mit der Vorderseite. Auf der Rückseite von »Mord an« stand »ag, 24. Augu«. Die Rückseite der Zeitung hatte sich durch das dünne Papier, auf dem die Worte aufgeklebt waren, durchgedrückt. Am 24. August war Bellini-Klein gestorben. Seither waren schon einige Wochen vergangen. Warum verwendete der anonyme Schreiber eine Zeitung vom Todestag? Als Symbol? Nur ein Zufall?
Ich rannte zu Droch hinüber, zeigte ihm die Kopie der Rückseite des Blattes und stellte zum ersten Mal fest, dass er weitsichtig war, aber keine Brille trug. »Und«, sagte ich und sah ihn triumphierend an, »wo ist das Kuvert?«
Droch griff sich an den Kopf. Das Kuvert. Er rollte zur Chefsekretärin, und ich wartete in seinem Zimmer. Nach fünf Minuten war er wieder da.
»Was für eine Nase«, sagte er und sah schon viel munterer aus. Jetzt steckte auch das Kuvert in einer Klarsichthülle. Das Kuvert hatte mehr Stempel als üblich. Aufgegeben war der Brief in Wien am Westbahnhof worden. Das Datum des Poststempels war der 24. August. Der Brief war allerdings nicht gleich zugestellt worden, sondern nach Australien gegangen. Und von dort hatte man ihn wieder zurückgeschickt. In der letzten Zeile der in ungelenken Blockbuchstaben geschriebenen Zustelladresse stand »Austria«. Wer verschickt auch schon innerhalb Wiens Briefe mit dem Vermerk »Austria«?
»Entweder wurde der Brief vor Bellini-Kleins Ermordung aufgegeben oder sofort danach. Aber dass die Gläser ohne Fingerabdrücke waren, stand erst einen Tag später fest.« Droch überlegte.
»Der Brief kann also nur von dem aufgegeben worden sein, der die Gläser abgewischt hat. Oder der das gesehen hat«, stellte ich fest. Aber brachte uns das weiter?
Warum sollte ein Mörder einen solchen Brief schreiben?
»Vielleicht will er überführt werden«, murmelte ich.
»Fischer und Orsolics werden in dem Brief erwähnt, und die sehen nicht so aus, als ob sie endlich überführt werden möchten.«
Ich nickte. Da war etwas dran.
»Dann war es jemand, der einem der beiden die Schuld zuschieben wollte. Hofer.«
»Wenn, dann hätte Hofer die Schuld auf Vogl geschoben.«
Ich seufzte. »Und wie passt das mit dem Geld zusammen? Und mit der Schießerei?«
Dann gingen wir zum Chefredakteur. Die Story wurde jedenfalls immer besser. Ein anonymer Brief, der am Tag des Todes von
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