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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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kommt, rufst du mich am Handy an. Ich habe es auf Vibrieren gestellt und halte es in der Hand. Wenn du anrufst, brechen wir alles ab. Du hast die Kontrolle.«
    »Feine Kontrolle. Ich sehe doch nichts.«
    »Du siehst, wenn jemand kommt oder jemand geht oder … Komm, Vesna.«
    Bevor wir im Haus verschwanden, sah ich noch einmal zu Droch zurück. Er saß leicht vornübergebeugt in seinem Rollstuhl und starrte nach oben. Er wirkte hilflos. Nicht wie einer, den man allein lassen konnte. Nicht wie einer, der bei einer gefährlichen Aktion mitmachen konnte. Mir lief es kalt über den Rücken. So hatte er dagesessen und den toten Schmidt betrachtet. Was wusste ich von ihm? Aus dem Kino drang das Geklimper eines Klaviers. »Schätzchen«, sagte eine rauchige Frauenstimme, »du glaubst doch nicht, dass du mich so leicht los wirst?«
    Wir tasteten uns im Finstern nach oben. Stufe für Stufe. »Warte«, zischte ich Vesna zu. Ich hatte etwas gehört. Eine Tür war zugegangen, aber nicht ganz. »Die Tür zum Büro«, flüsterte Vesna. Ich hielt ihr den Mund zu. Mein Herz pochte laut. Wir lauschten. Dann ging Vesna weiter. »Es war nichts«, sagte sie leise, »komm.«
    In diesem Moment sahen wir einen Lichtblitz, ein Knall folgte. Vesna stolperte. Ich raste die Treppe hinunter. Ein zweiter Schuss, ich spürte keinen Schmerz, aber war das nicht immer so? Ein dritter Schuss. Das Licht ging nicht an. Vesna … Ich durfte sie jetzt nicht im Stich lassen. Verdammt, irgendwo musste ich doch Deckung finden. In einem Stiegenhaus? Vesna hatte sich wieder aufgerappelt, wir stürzten auf die Türe zu. Das Haustor war zugefallen. Vesnas Vorrichtung hatte nicht gehalten. Wir saßen in der Falle. Vesna tappte neben der Tür die Wand entlang. Sie musste verletzt sein. Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht auch getroffen war. Etwas Kaltes rann mir die Wirbelsäule hinunter. War Blut nicht warm? Wie hatte sich mein Blut angefühlt, als ich zusammengeschlagen worden war? Ich hatte keine Schmerzen. Aber der Blitz, und dann … Ein weiterer Schuss fiel. Ein Summen ertönte, und wir stolperten nach draußen. Wir rannten über die Straße.
    »Vesna, bist du okay?«, keuchte ich.
    »Ja. Und du?«
    Mit einer Schussverletzung konnte man nicht rennen. Zumindest nahm ich das an.
    »Ich auch. Nimm das Motorrad, schnell.«
    »Und du?«
    »Weg, schnell.«
    Vesna lief, ich schnappte Drochs Rollstuhl und rannte mit ihm los. Ich bog in eine kleine Gasse ein. War das gut? Egal. In meiner Seite stach es. Keine Luft? Eine Kugel? Abbiegen. Ich keuchte und rannte. Ich erinnerte mich. Schulmannschaft, Querfeldeinlauf. Ich hatte Pokale gewonnen, wie lange war das her? Weiter. 20 Jahre war das her, das Stechen würde aufhören. Noch eine Ecke. Ich blieb einen Augenblick lang stehen. »Sie haben auf uns geschossen«, keuchte ich. Drochs Gesicht war verzerrt, angstverzerrt.
    »Weiter«, rief Droch, »da entlang.« Er streckte seinen Arm aus und wies mir den Weg. Auch er keuchte. Die Räder des Rollstuhls holperten über das Pflaster. Droch hielt die Armlehnen fest umklammert. Die Adern traten blau hervor. »Weiter«, rief er noch einmal und zeigte mir Schleichwege durch den ersten Bezirk, Hausdurchgänge, die ich noch nie bemerkt hatte. Vorbei an einem Paar in enger Umarmung. War das nur Tarnung? Sie konnten überall sein. Die Nacht war finster. Vorbei am Stephansdom und wieder durch einen Hof.
    Droch rang nach Atem. Die Panik war jedoch aus seinem Gesicht verschwunden. Harte Schatten im Schein einer Straßenlaterne. »Bleib stehen. Ich rufe jetzt die Polizei an.«
    Ich hielt an, schnappte nach Luft und lauschte. Alles war ruhig, nur mein Atem rasselte. »Sie sind uns nicht gefolgt.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Mir rannen Tränen über die Wangen. »Keine Polizei«, keuchte ich. »Sie würden uns nicht glauben.«
    Wir sahen einander an. Ich wischte mir die Tränen nicht ab. Droch nahm meine Hand. »Komm«, sagte er, »in der nächsten Gasse ist ein Lokal, das noch offen hat.«
    Ich hatte beinahe vergessen, dass es Lokale gab, andere Menschen, Sicherheit. Er kramte in seiner Hosentasche und reichte mir ein Papiertaschentuch.
    »Ist schon gut«, sagte ich und versuchte zu lächeln.
    »Gar nichts ist gut«, sagte Droch. »Sie haben versucht, dich zu erschießen. Gar nichts ist gut.«
    Ich atmete tief durch. »Aber sie haben mich nicht erschossen.«
    Wir verbrachten den Rest der Nacht in dem Lokal. An der langen Theke und in den Ecken mit dem längst verschlissenen

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