Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
arbeiten wir mit griffigen Slogans.«
»Hitler als Wahlhelfer?«, frage ich zurück. »Ist das Ihr Ernst?«
»Der Faschismus mag für Sie als Deutscher ein sehr persönliches Thema sein, für Amerikaner ist er lediglich Geschichte«, gibt er sich jovial. »Wenn Sie hier länger Politik beobachten, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass sie oft übertreibt, dass in der Tat ein großer Teil davon Theater ist.« Das hält er für eine einfühlsame Antwort, die ihn selbst entlastet und zugleich Verständnis für einen dünnhäutigen Reporter zeigt. Doch was er offen Theater nennt oder wie zuvor schon »Show«, nehmen die Zuhörer sehr ernst. Wann immer er ihnen von ihrem vorzeitigen Tod durch Obamas Politik erzählt, schütteln sie aufgebracht die Köpfe über den Präsidenten.
Nach Hunters nächstem Schreckensvortrag gehe ich mit meinem Kamerateam auf ein paar von ihnen zu. »Hier kommen sozialistische Deutsche, aus einem Land mit Krankenversicherung für alle«, scherze ich. »Ich dachte, vielleicht wollen Sie uns mal anfassen?«
»Ach so«, lächelt eine weiß gelockte Seniorin neben ihrem Mann zurück, »wir fragten uns schon, was Sie hier wollen.«
»Im Ernst, wir würden gerne wissen, was an einem umfassenden Krankenschutz so furchterregend ist«, sage ich.
Sie antwortet belustigt, dass sie sich vor gar nichts fürchte, weil sie eine gute Christin sei. Aber dass sie Obama noch nie habe leiden können. »Ich empfinde keinerlei Respekt vor ihm«, sagt sie. Der Ehemann bestätigt: »Ich hätte nie gedacht, dass unser Land einmal so weit abdriften würde.«
»Im Fernsehen sagen sie das auch«, verabschiedet sich seine Frau. »Wir schauen nämlich immer Fox News. Denn die mögen Obama auch nicht.«
Zurück in Washington fragen wir einen früheren Berater Bill Clintons, was Obama falsch mache und wo seine Anhänger geblieben seien. »Viele dachten damals irrtümlich, es sei schon damit getan, ihn zu wählen, um alle Probleme zu lösen«, sagt Howard Paster. »Zudem braucht Obama nun einmal den Kongress. Und dem darf er nicht allzu viele Pillen auf einmal vorsetzen. Sonst spuckt der sie einfach wieder aus.«
Auch Diane Lowenthal von der American University interviewen wir dazu. »Wenn in einem Zwei-Parteien-System eine Partei derart besiegt wird wie die Republikaner«, erklärt sie uns, »dann überlegt sie sich, wie sie darauf reagiert. Die Republikaner haben sich offenbar entschlossen, dass sie schlichtweg weiter Wahlkampf machen.«
Dabei habe Obama bereits viel erreicht, auf vielen Politikfeldern, findet sie, »und das ohne viel Trommelwirbel. Nehmen Sie etwa die Garantie, dass Frauen und Männer für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden müssen. Auch das war ein Wahlversprechen. Es war eines seiner ersten Gesetze.«
Erst nach Wochen in Schockstarre rappeln sich die Demokraten wieder auf. Als Senator Barney Frank, ein bei der Tea Party verhasster jüdischer Abgeordneter aus Massachusetts, in einem Bürgerforum von einer empörten Wählerin gefragt wird, wie er bloß mit seinem Gewissen vereinbaren könne, eine nationalsozialistische Politik zu unterstützen, kanzelt er sie rundweg ab. Er weigere sich, gerade wegen der Geschichte, die Frage ernsthaft zu diskutieren. »Ich kann Ihnen nur mit einer Gegenfrage antworten«, sagt er stattdessen. »Auf welchem Planeten leben Sie?«
Im Internet erzielt der Videoclip über Wochen Spitzenwerte – weil sowohl Obama-Freunde als auch -Gegner ihn genüsslich weiterreichen. Ein Anzeichen mehr dafür, dass Amerika, trotz aller Umfragebeteuerungen, eher die Konfrontation sucht als den Ausgleich.
Zurück im Ring
Dabei hatte der Wahlsieger Obama es besser machen wollen als zuletzt Bill Clinton. Dessen Versuch, das Gesundheitswesen zu reformieren, blieb schon in den Anfängen stecken, weil er und seine Frau Hillary sie dem Land von oben verordnen wollten. Die Bürger reagierten verängstigt, sorgten sich allein um den eigenen Bestandsschutz und nicht um ärmere Landsleute, die das kommerzielle Versicherungssystem ausschloss. Prompt gewann die konservative Opposition die Zwischenwahl in Clintons erster Amtszeit.
Obama hat den umgekehrten Weg gewählt: Er beauftragte sogar mehrere Parlamentsausschüsse gleichzeitig damit, überparteiliche Vorlagen zu entwerfen, damit die Reform auf breitem Konsens fußen könne – getreu seiner ursprünglichen Hoffnung, mithilfe beider Parteien Amerikas Probleme anzugehen. Was er dabei unterschätzte, war das ideologische Potenzial
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