Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
Bankensteuer zuzumuten, sagt er entschieden, zumal andere Steuerzahler sie gerettet hätten. Kopfnicken im halben Parlament und bei unseren Gastgebern vorm Fernseher. Wirtschaft und Finanzen also noch immer vor allem anderen?
»Der Schwerpunkt sitzt richtig«, sagt der Ehemann. Die Gesundheitsreform, die beide für ebenso wichtig halten, lasse sich gerade wirtschaftlich rechtfertigen.
Das tut Obama denn auch. Seine Reform spare im überteuerten Gesundheitssektor eine Billion Dollar in zehn Jahren ein. Zudem erhöhe er keinerlei Abgaben, sondern senke sie – für Familien und Mittelstand.
Dazu kündigt er neue Bildungs-, Job- und Forschungsinitiativen an, weil Amerika da nicht in der Welt zurückfallen dürfe. Dafür trügen auch die Republikaner Verantwortung. Zeit, das Haus zu wechseln. Gut möglich, dass der Nachbar das alles etwas anders sieht.
Vom Sofa aus blickt er mit seiner Teenager-Tochter lässig zum Fernseher, als Obama die Kostendeckelung etlicher Haushaltsposten zusagt – sobald die Wirtschaft wieder besser laufe. Die Tochter schaut ungläubig, der Vater zieht eine Augenbraue hoch.
Nächster Punkt des Präsidenten, der Klimawandel. »Den gab es doch schon immer«, winken beide ab. Auch Obamas Mahnung, dass grüne Technologien in jedem Fall die Märkte von morgen dominieren würden, ob mit oder ohne Amerika, erreicht die beiden nicht.
»Er will mehr Programme für Bildung«, sagt uns die Tochter, »und zugleich will er die Staatsausgaben deckeln. Wie soll das gehen?« Reden könne er ja gut, so auch der Vater. »Aber das reicht halt nicht.«
Am Gartenzaun treffen wir danach verabredungsgemäß die Nachbarn wieder. »Uns hat beeindruckt, wie entschlossen er war. Das musste er auch sein«, sagen sie. Die anderen beiden bestreiten das. »Wir hoffen eher, dass er endlich die Opposition mit einbezieht«, entgegnen sie. »Dann fällt es der auch leichter, ihm mal zuzustimmen.«
Darauf kann man sich als Kompromissformel verständigen. Man umarmt sich vor laufender Kamera. Und zitiert die Zeile, die hier jede Rede abschließt, vom Präsidenten bis zum Bürgermeister, und die zur Not das Land allein zusammenhält: »Gott schütze Amerika!«
5 Von Hass und Heiterkeit
Der Palin-Effekt
Da unsere Kinder eine amerikanische Grundschule besuchen, lernen wir etliche einheimische Eltern kennen. Darunter ist ein langjähriger Pentagon-Mitarbeiter, der dem Beraterstab der Bush-Administration angehörte. Schon im ersten Gespräch gibt er sich mir als derart glühender Anhänger Sarah Palins zu erkennen, dass ich beginne, ihn nach seinen Gründen auszufragen. Dabei bleibt das Gespräch stets nett und freundlich, ganz wie in den Mütterrunden neben uns, die Regularien rund um Ferienplan, Ausflüge und Schulessen erörtern.
»Die Demokraten haben keine Ahnung, wie Amerika in Wahrheit tickt, das hatten sie noch nie«, beendet mein Gegenüber schließlich sein Plädoyer. Ob es sein könne, dass seine Sympathie für Palin auch ein wenig von einer Antipathie gegen die Demokraten herrühre, frage ich noch. »Aber ja«, lächelt er da. »Ich hasse die Demokraten. Ich hasse sie alle.«
Später bestätigen mir Mitarbeiter des Außenministeriums, die den Demokraten nahestehen, bei einem Botschaftsempfang, dass sie mit konservativen Kollegen über viele Themen, darunter die Umwelt- und Energiepolitik, seit Jahren nicht mehr reden. Es sei Zeitverschwendung. Prompt erklärt mir kurz darauf einer der so Kritisierten über Häppchen und Sektgläser hinweg, dass der Mensch ja auch nicht am Tod der Dinosaurier schuld sei. Mehr habe er zu den Klimazielen der Deutschen nicht zu sagen. Auch andere Washingtoner Insider bestätigen mir bald, wie unüberbrückbar die Gräben in der Bush-Administration gewesen seien. Dessen Chefideologen hätten aus sämtlichen wissenschaftlichen Arbeiten, etwa des nationalen Wetterdienstes oder der NASA, das Wort »Klimawandel« regelmäßig streichen lassen.
Auf einem »Wertekongress« der Republikanischen Partei, über den ich berichte, stoße ich auf die gleiche Front. Dort begrüßt ein riesiger Stoff-Eisbär die Gäste, dem ein Schild mit der Aufschrift »Klimawandel? Welcher Klimawandel?« um den Hals hängt. Danach versichern mir Moralhüter mithilfe von Kurvendiagrammen, dass Schulunterricht, wie Obama ihn wünsche, nicht zu weniger, sondern zu mehr Abtreibungen führe: »Oder wollen Sie etwa, dass ein Lehrer Schulkinder schon über Sex aufklärt?«
Am Stand nebenan werben sie ebenso
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