Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
leichtfertiger Vorwurf«, sagt er. »Die Republikaner haben sich in eine derart extreme Position zu Steuern manövriert, dass sie jede Form von Mehreinnahmen ablehnen. Deshalb verunglimpfen sie alles, was andere dazu vorschlagen. Ich glaube, gerechtere Steuersätze für Bürger und Firmen gehören ebenso auf den Verhandlungstisch wie Reformen, mit denen sich umgekehrt die Demokraten schwertun, etwa bei den Gesundheitsausgaben.«
Für das größere Problem in Amerikas Politik halte er aber etwas anderes: Die Tatsache, wie er sagt, dass keiner mehr mit dem anderen spreche und keiner mehr zuhören wolle. »Man setzt sich nicht mehr hin und versucht wirklich, über Differenzen hinweg Auswege zu finden«, klagt er.
Aber Obama und Boehner waren doch kurz davor, erwidere ich. Bei einer Präsidialverfassung, die auf Kompromisse mit dem Parlament abzielt, sei das doch der einzige Weg, der letztlich bleibe. Was könne denn sonst noch funktionieren?
»Nichts, fürchte ich«, antwortet er resigniert. »Auch ich glaube, dass es ein guter Plan war, auf den die beiden sich verständigt hatten. Es gab weitere gute, die von vernünftigen Abgeordneten vorgeschlagen wurden, mit Zugeständnissen von beiden Lagern. Das ist es, was wir eigentlich brauchen. Aber dann scheitert es an Republikanern, die sich verpflichtet haben, nunmehr alles als Steuererhöhung abzuschmettern, was dem Staat Einnahmen bringt.«
Mit wem sollte Obama dann noch reden, frage ich. Wenn er direkt mit der Tea Party spricht, wirft ihm das eigene Lager vor, er verhandle mit Extremisten. Tut er es nicht, kann man ihm vorhalten, er ignoriere immerhin gewählte Abgeordnete und ein neues Kräftezentrum im Kongress. Was immer er tut, gilt er den einen als zu links, den anderen als zu rechts oder allen als zu unentschlossen. Was bleibt ihm noch?
»Man kann nicht einfach Obama für alles verantwortlich machen«, sagt Castle. »Es reicht nicht, wie die Tea Party immer nur über Werte und Verfassung zu reden und nicht über die Details, um Probleme auch kurzfristig zu lösen. Der Aufstieg der Tea Party macht es dem Präsidenten sehr schwer. Seien Sie versichert, dass auch viele Republikaner tief verängstigt sind vor einer Tea-Party-Opposition in ihrem Wahlkreis. Diese Angst bestimmt ihr Verhalten im Kongress. Und ihr Verhältnis zu Obama.«
Warum gibt es nicht mehr Gegenstimmen in der Partei, frage ich weiter. Warum meldete sich allein Karl Rove zu Wort, um wie in Ihrem Fall Christine O’Donnells Fragwürdigkeit zu beklagen? Wo sind die Altvorderen, die sagen, lasst uns erwachsen sein, wo die Konservativen, die sagen, zehn zu eins ist kein schlechter Deal?
»Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht. Ich glaube, Obama wird deshalb als Favorit in die Wahl gehen. Und die Republikaner dürften für ihre Unfähigkeit bestraft werden, sich zu bewegen. Trotzdem wird es für ihn eine völlig andere Konstellation sein als vor vier Jahren. Er kann sich nicht mehr als der große Hoffnungsträger verkaufen. Er wird weiter als guter Redner punkten, auch in den Debatten. Aber sein Image als einer, der Amerika neu erfinden kann, wird überlagert sein von all den Schwierigkeiten, die wir in seiner Amtszeit hatten. Es wird nicht damit getan sein, ein paar Fernsehspots zu schalten und wieder der strahlende Held zu sein. Die Zeiten sind vorüber.«
Verschluckte Maikäfer
Auch Robert Bennett war ein Urgestein der US-Innenpolitik. 18 Jahre lang sprach er für den Bundesstaat Utah im Senat. Er war Stellvertreter, später Berater des amtierenden Minderheitenführers Mitch McConnell. Bis auch Bennett im turbulenten Jahr 2010 überraschend sein Mandat verlor – wie Mike Castle gegen einen Ultrarechten. In all den Jahren aber habe er schon selbst erlebt, dass der politische Alltag immer schwieriger geworden sei, sagt er mir mit sonorer Stimme in einem Café nahe des Weißen Hauses. »Das lag vor allem daran, dass die Zusammenarbeit nicht mehr funktioniert hat. Normalerweise steht fest, wie beide Parteien Schritt für Schritt gemeinsam etwa an den Haushaltsentwürfen arbeiten und so zu Einigungen kommen. Heute geht keiner mehr diese Einzelschritte. Stattdessen beharrt jeder von Anfang an auf einer harten ideologischen Position, die mit der des Gegners unvereinbar ist. So finden beide Seiten kaum noch zusammen.«
Er möge den Präsidenten, kenne ihn noch aus dessen Senatorenzeit, sagt Bennett. Aber Obama seien die Dinge über den Kopf gewachsen, und er habe schlechte Ratgeber.
»Es
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