Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
Producerin rund 50 Personen ausgemacht, die einschließlich der Mittelinitiale mit dem Amtsinhaber übereinstimmten. Drei sagten den Dreh zu. Die allermeisten anderen legten so schnell auf wie der Pizzadienst unseres Truckers.
»Morgens ist nicht meine beste Zeit«, entschuldigt sich George W., als er zwischen den Bühnenpfeilern vergeblich nach seinem Werkzeug in den übergroßen Kisten kramt. »Ja, anfangs, als Bush ins Weiße Haus einzog, da war ich mächtig stolz auf den Namen. Und meine Mutter noch mehr«, sagt er und dirigiert die Teamkollegen zum Scheinwerfermontieren. »Aber ein großer Präsident wird er wohl nicht mehr werden. Reagan war so einer, Clinton, was die Wirtschaft angeht, und Lincoln sowieso. Bis Afghanistan war ich noch loyal. Alles andere war mir zu viel.«
Die Kommentare derer, die auf seinen Namen reagierten, hätten sich auch gewandelt. Längst werde da mehr gefrotzelt als geklatscht. Aber da bleibe er gelassen, so sei sein Naturell. Er wundere sich eher darüber, wie naiv doch manche seien. »Neulich sagte wieder eine Stewardess zu mir: ›Nein, Sie sind doch nicht George Bush‹. Und meinte, jeder an Bord sei jetzt enttäuscht, weil der Präsident nun doch nicht mitfliege. Ich sage dann gewöhnlich: ›Habt ihr noch nie etwas von Airforce One gehört? Das ist der große Flieger, den sie immer in den Nachrichten zeigen. Denkt ihr wirklich, der echte Bush steigt in so eine Linienkiste?‹«
»Wir alle sind wohl irgendwie amtsmüde«, gesteht uns der nächste George W. B., nunmehr ein korrekt gescheitelter, graumelierter Rechtsanwalt, den wir vor der Küste Floridas beim Sportfischen begleiten. Schmucke Strandvillen im Hintergrund, glatte See. Herr Bush trägt Shorts und Marken-Polohemd. Die Wähler hier sind durch und durch konservativ. Auch er kreuzte zweimal den namensgleichen Republikaner an. Doch nun beklagt er offen, dass er da wohl dem Falschen an den Haken ging. »Für mich drehten sich die Dinge«, erklärt er uns, »als mir Außenminister Colin Powell im Fernsehen die Schaubilder zeigte von Saddam Husseins angeblichen Chemiewaffen-Labors. Wir wissen heute, wie falsch das war. Aber als er in die Kameras blickte und mir versicherte, das sei die Wahrheit, da dachte ich, okay, dann ist das ein guter Grund, Krieg anzufangen.«
Konservativ hin oder her, als Jurist, noch dazu für internationales Recht, habe er das seiner Regierung nicht verziehen. Zu viel Machtgetöse sei ihm das gewesen, zu wenig Diplomatie. In der Kanzlei treffen wir tags darauf auf seine leidgeprüfte Assistentin. Fast jeder Erstanruf neuer Klienten ende noch immer in seltsamen Pausen, klagt sie. Oft müsse sie zurückrufen. »Kein Wunder«, zeigt sie Verständnis, »denn es geht um Vertrauensbeziehungen. Und der Name Bush polarisiert nun mal. Dann musst du wieder und wieder erklären: ›Nein, es ist nicht der Präsident, und nein, sie sind auch nicht verwandt.‹«
Der dritte Namensvetter kurvt auf einem selbstfahrenden Rasenmäher um sein Eigenheim im Grünen, als wir zum Interview anrücken. Er ist blass und wirkt etwas bieder. Als gelernter Ingenieur arbeitet er in einem Kugellagerwerk in Cleveland. Sein Garten interessiere ihn weit mehr als Politik, versichert er. Dennoch nimmt er den Mann im Weißen Haus in Schutz und lässt durchblicken, dass zumindest er ihn auch für eine dritte Amtszeit wählen würde. Amerika habe schlechtere Staatschefs hinter sich, findet er – auch wenn ihm dann nur Nixon einfällt.
Hätte er einen Wunsch frei, würde er nach all den Jahren aber gern einmal die Führungsrolle tauschen, wie er sagt, wenigstens für einen Tag. »Ich wünsche ihm nämlich, dass ihn auf einer Pressekonferenz mal einer fragt: ›Herr Präsident, wie ist das eigentlich, genauso zu heißen wie jener Mann in Cleveland?‹«
Die Schlusspointe meines Berichts behalte ich dennoch dem Bühnentechniker aus North Dakota vor. Ganz so neu sei ihm der Namensrummel im Grunde nicht gewesen, hatte er uns verabschiedet. Er kenne das seit seiner Schulzeit. »Mein engster Kumpel, der damals neben mir saß«, schmunzelte er, »hieß Jimmy Carter.«
Zweifel am Kurs
Der Schatten des Irak-Kriegs, den der Kandidat Obama schon früh zum »dummen Krieg« erklärt hat, hängt über der zweiten Amtszeit Bushs. Als ich für meine Wahlkampfreportage ein Trainings-Fort in Kansas besuche, macht selbst Oberst John Nagl aus seinen Zweifeln an Strategie und Taktik der Befehlshaber kaum mehr ein Geheimnis. Sie führten Kriege,
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