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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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oder Walter Scott imitierten, in einen Topf geworfen zu werden. Aber Hobhouse entwaffnete ihn mit seinen nächsten Worten: »Ich wäre sehr geehrt, wenn Sie mir das eine oder andere zeigen würden… wenn auch nur, um mich gelegentlich in den drei Stunden zum Schweigen zu bringen.«
    »Nur deswegen«, sagte Byron mit hochgezogenen Brauen und hätte das Gespräch gerne fortgesetzt, wenn nicht in diesem Moment ein Junge von etwa sechzehn Jahren aus der Kapelle auf ihn zugerannt wäre. Er blieb vor ihnen stehen und keuchte.
    »Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe, By, aber…« Er erblickte Hobhouse, und sein Gesichtsausdruck änderte sich.
    »Guten Tag, Sir.«
    Hobhouse erwiderte den Gruß und fügte hinzu: »Edleston, der berühmte… Altus, nicht wahr?«
    Edleston nickte scheu. Er hatte lockige blonde Haare, und sein kleiner zierlicher Körperbau schien die Kraft, die in seiner Stimme lag, zu verleugnen. Sein Blick flackerte über Hobhouse hinweg, um wieder an Byron haften zu bleiben.
    Byron lächelte ihm zu und wandte sich an Hobhouse. »Tut mir leid, aber ich habe Edleston eine Bootsfahrt versprochen, Hobhouse. Wenn Sie uns allerdings begleiten wollen…« Edleston runzelte bei diesen letzten Worten ungewollt die Stirn, und Hobhouse versicherte hastig, er sei beschäftigt und habe leider keine Zeit. Er beobachtete, wie die beiden sich an dem alten Brunnen vorbei durch das prächtige Westtor entfernten, und sah Byron mit der Mischung aus erwachender Zuneigung, Neugier und Beunruhigung nach, ein Gefühl, das ihm in den kommenden Wochen, in denen sie Freunde wurden, immer vertrauter wurde. Hobhouse umgab sich mit einer Aura lässigen Zynismus und starrte manchmal geradezu vor Selbstvertrauen, was ihn zu einer ergiebigen Zielscheibe für die Attacken scharfzüngiger Mitstudenten machte. Daneben besaß er durchaus Sinn für Humor und fühlte sich durch Byrons respektlose Verkürzung seines Namens in »Hobby« nicht im geringsten in seiner Würde gekränkt. Bald wurde er, mit Matthews, Francis Hodgson, Scrope Davies und Douglas Kinnaird zusammen, die alle ebenfalls zum Whig Club gehörten und mit Byron inzwischen einen langsam sich ausprägenden Kreis bildeten, nach Newstead Abbey eingeladen, das nun vom lästigen Mieter Lord Grey befreit war. Hobhouse registrierte, daß Edleston nicht mit von der Partie war. Er hatte bereits bemerkt, daß Byron aus unerfindlichen Gründen lieber nicht gleichzeitig mit Edleston und seinen anderen Freunden zusammen war, auch wenn er sich keinen Reim darauf machen konnte, weil Edleston zwar kein Student, aber dennoch ein aufgeweckter und gebildeter Junge war.
    Es wurde in jeder Hinsicht ein ausgelassenes Wochenende. Byron servierte Wein aus Totenschädeln, sie stöberten Mönchskutten auf und veranstalteten in dieser Tracht ein Wettschießen in der Großen Halle. Dann kam einer auf die Idee, über einem der Schädel einen Bluteid zu schwören; Eine so melodramatische Geste war einfach unwiderstehlich.
    Leider verdarb Matthews die Feierlichkeit der Stunde, indem er Hobhouse auf der Suche nach einem wirklich mittelalterlichem Dolch fast aus dem Fenster stieß, und Hobhouse schwor, nur halb im Scherz, bei einer solchen Behandlung das Schloß sofort zu verlassen. Byron versicherte ihm, das Fenster sei auf keinem Fall sehr hoch und der Boden darunter, am Vormittag von den Pferden aufgewühlt, würde ihn weich aufnehmen.
    Scrope Davies hatte sich bereit erklärt, im nächsten Dorf nach ein paar Mädchen Ausschau zu halten, und als dieser erfolgreich zurückkehrte, nahm die Feier einen noch ausgelasseneren Verlauf. Es wurde Morgen, ehe der erste von ihnen zum Schlafen kam, und Nachmittag, ehe Hobhouse sich mit schwerem Kopf und schmerzenden Gliedern auf die Suche nach etwas Eß- und Trinkbarem machte. Dabei stellte er fest, daß er sich in dem verdammten Gemäuer nicht zurecht fand, und war schließlich froh, als er auf Byron stieß, der ihm wortlos einen Krug Wasser anbot.
    Hobhouse trank dankbar, spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und auf den Kopf und stellte mit einem Blick überrascht und leicht verärgert fest, daß Byron keinerlei Anzeichen eines Katers zeigte - im Gegenteil, er wirkte geradezu unnatürlich ausgeruht und heiter. Hobhouse setzte den Krug ab und schwor sich gleichzeitig ewige Enthaltsamkeit.
    »Kennen Euer Lordschaft so etwas wie Erschöpfung?«
    Byron lachte. »Doch, hin und wieder. Als ich kürzlich Edleston endlich aus dem Wasser gezogen hatte, war ich selbst

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