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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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einmal, wirkte er mit seiner Begeisterung für die Pferdewetten eher jünger und kindlicher als sie und nicht älter?
    »George«, sagte sie unvermittelt, »ich erwarte ein Kind.« Er kam auf sie zu und küßte ihre Hand.
    Irgendwann konnte Augusta nicht länger George und die Clique des Prinzen von Rennen zu Rennen begleiten und zog sich daher auf das Gut der Leighs, Six Mile Bottom, zurück. Es war mehr Landgut als Herrschaftssitz, doch Augusta gefiel es, eingebettet in die sanfte Landschaft Südenglands. Das Hauptgebäude und die beiden kleinen Nebenbauten wirkten wie ein altertümliches Spielzeug, bereits vom romantischen Flair der Jahre gezeichnet.
    Sie ließ nur einige Räume neu tapezieren und ritt aus, solange sie es sich erlauben konnte. Der Rennort Newmarket, wo die Saison noch nicht begonnen hatte, lag in der Nähe, Cambridge war ebenfalls nicht allzu weit entfernt, aber ihr Bruder hielt anscheinend immer noch an seinem Groll fest.
    Als sie nicht mehr reiten konnte, wurde Augusta häuslich. Eine Freundin hatte ihr Byrons Gedichtband geschickt, ohne allerdings zu wissen, wer der Verfasser war. Augusta war keine sehr kritische Natur; ihr gefielen die Gedichte, obwohl sie auch manche der ernster gemeinten zum Lachen brachten. »Oh, wann endet das Grab alle Leiden und Sorgen?« Das war Baby Byron! Im übrigen schien er seine Neigung zum Pathetischen selbst richtig einzuschätzen, den er ließ den meisten seiner tiefdüsteren Klagen eine witzige Alltagsbeschreibung folgen, so zum Beispiel die Schilderung einer Collegeprüfung:
     
    Die armen Toren tadeln grimm und graus,
    Die in mathematischen Sätzen schlecht zu Haus;
    Dem Jüngling Heil, der mit Euklid vertraut,
    Wenn sonst ihn keine Kunst auch je erbaut,
    Dem sauer jede Zeile Englisch wird,
    Der aber wie ein Kritiker skandiert…
     
    Als sie dann mit einer Tochter niederkam, beschloß sie, mit dieser Nachricht die Beziehungen zu ihrem Bruder wiederaufzunehmen. »Ich nenne sie Georgiana«, schrieb sie, »und ich bin sicher, Du weißt, warum.« Doch bevor sie dazu kam, diesen Brief abzuschicken, hatte Byron ihr einen Grund gegeben, ihm wirklich böse zu sein.
    Die Edinburgh Review, ihres Zeichens eine der beiden angesehensten Literaturzeitschriften des Königsreichs, hatte sich das Vergnügen gemacht, Byrons anonym erschienenen Gedichtband (der Verfasser bezeichnete sich nur als »ein Minderjähriger«) hemmungslos zu verreißen. Der Artikel hagelte nur so von Adjektiven wie »platt«, »einfallslos« und bat, sich daran zu erinnern, daß das bloße Reimen von Endsilben noch keine Dichtung darstelle. Byrons Antwort war die vollkommenste Rache, die ein Autor nehmen konnte.
    Er schrieb eine Satire, »Englische Barden und schottische Rezensenten« betitelt, der er einen Vers von Pope voranstellte:
    »So schamlos sind die Barden; doch fürwahr/ Noch schlechter ist der Rezensenten Schar.« Diesem Motto getreu machte er alle führenden, derzeitig angesehenen Kritiker und Literaten lächerlich:
     
    So viel muß die Satire selber sagen,
    Daß über Dichtermangel nicht zu klagen.
    Es ächzen unter ihrer Last die Pressen;
    Den armen Setzern wird ganz schwach, indessen
    Des Southeys Epenschwall ringsum sich türmt
    Und Littles Lyrik rastlos sie bestürmt…
     
    So weit, so gut. Augusta lächelte, als der berühmte Schauerromanschreiber Matthew »Mönch« Lewis als »Apollos Totengräber« bezeichnet wurde. Doch als die Rede auf Lord Carlisle kam, verlor sie ihren Sinn für Humor:
     
    Und keine Muse lächelt mehr derweil
    Dem gichtischen Gewinsel des Carlisle.
    Dem Knaben wohl und seinem frühen Lied
    Verzeiht man, falls die Jugendtorheit flieht;
    Doch wer verzeiht den ew’gen Vers dem Greise
    Des Haar stets grauer wird, wie seine Weise
    Stets schlechter? Welche Würden diesen Peer
    All schmücken: Reimer, Stutzer, Pamphletier!
    Als Junge dumm, als Greis ein Faselhans…
     
    Augusta war entsetzt. Lord Carlisle hatte die Vormundschaft, die ihm das königliche Gericht aufbürdete, nicht gewollt, aber er hatte sie immer uneigennützig und gewissenhaft verwaltet - bei verschiedenen Anlässen, wie damals bei dem Urlaub mit Hanson, war er sogar weit über bloße Verpflichtungen hinausgegangen. Dieser kurze Absatz in einer Satire, die der Öffentlichkeit bestimmt nicht entgehen würde, mußte für ihn ein Schlag ins Gesicht sein.
    »Das gichtige Gewinsel von Carlisle« - wo der Mann schon seit zwei Monaten durch Gichtanfälle ans Bett gefesselt war! Für diese absichtliche

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