Wahnsinn, der das Herz zerfrisst
persönlich empfohlen hatte, gewann zunächst ein äußerst schwieriges Rennen - sehr zur Freude des Prinzen, der auf ihn gewettet hatte - und wurde dann öffentlich des Betrugs überführt. Ein nicht wiedergutzumachender Skandal! George Leigh saß in Six Mile Bottom, blickte düster auf die Rechnungen und Beschwerdebriefe, die sich nun täglich vor ihm auftürmten, und raufte sich die Haare.
»Was soll ich nur tun? O Gott, was soll ich nur tun?« Er war unfähig, mit Banken und Wucherern zu korrespondieren. Zum Gutsverwalter war er ebenfalls nicht geboren. Bisher hatten sich seine Anordnungen auf den Satz »Ganz so wie im letzten Jahr«
beschränkt. Was blieb ihm also anderes übrig, als sein Glück erneut auf der Rennbahn zu versuchen? »Da habe ich wenigstens Erfahrung«, seufzte er. »Warte es nur ab, Augusta, eines Tages werde ich gewinnen!« Fort war er.
An diesem Punkt begriff Augusta, daß sie die Geschicke ihrer Familie in die Hand nehmen mußte. George würde ihr dabei nicht helfen, konnte es vielleicht auch wirklich nicht. Sie hatte einen Mann geheiratet, der charmant, leichtsinnig, seinen Freunden gegenüber großzügig und hilfsbereit - und für die schwierigen Tage des Lebens vollkommen ungeeignet war, Als erstes schrieb sie an die Patin ihrer Tochter Georgiana, die Prinzessin von Wales. Die Prinzessin war schon seit langem mit ihrem Gemahl verfeindet und würde den Skandal mit dem Jockey nicht weiter übelnehmen. Augusta bewarb sich um das Amt einer Hofdame. Sie brauchte dringend eine weitere Einkunftsquelle, denn auf Georges Armeesold war nicht zu rechnen. Außerdem hatte eine Hofdame das Recht auf ein ständiges Appartement im St. James Palace, so daß wenigstens die Kosten für eine Londoner Wohnung wegfielen.
Für den Fall, daß die Prinzessin dennoch ablehnend oder auch nur gleichgültig reagieren würde, wandte sie sich zusätzlich an alle Verwandten und Freunde, auf die sie in London zählen konnte - die Howards, ihre Schwester Lady Chichester, Georgianas zweite Patin, die Herzogin von Leeds -, und bat sie um Unterstützung für ihre Bewerbung. Zusätzlich begann sie eine regelmäßige Korrespondenz mit dem Familienanwalt Hanson, um sich über Darlehen, Guthaben und Zinsen aufklären zu lassen. Sie entwickelte sich zu einer wahren Meisterin in Ausflüchten in ihren Schreiben an Georges Gläubiger. Bei gelegentlichen Treffen mit diesen Herren nutzte sie den Vorteil ihres Geschlechts, da die Höflichkeit es selbst dem härtesten Wucherer verbot, mit einer scheinbar völlig hilflosen Frau so direkt zu sprechen wie mit einem Mann.
Im Februar 1811 kam ihre zweite Tochter Augusta Charlotte zur Welt. Augusta war tatsächlich von der Prinzessin als Hofdame akzeptiert und für die Zeit ihrer Schwangerschaft beurlaubt worden.
Anläßlich der Geburt seines zweiten Kindes kam George Leigh - außerhalb der Rennsaison - nach Six Mile Bottom. Er hielt sich vom Glück mit einem Engel als Gattin begünstigt und versuchte gar nicht, seine Erleichterung darüber zu verbergen, daß sie sich der gräßlichen Geldgeschäfte annahm. Er machte Augusta eine Liebeserklärung nach der anderen, weigerte sich aber standhaft, das Wetten und das Glücksspiel aufzugeben. »Das ist das einzige, was ich für euch tun kann, für dich und die Kinder - die einzige Möglichkeit für mich, Geld zu verdienen!« Er blieb überraschend lange. In der Nacht seines Abschieds sah Augusta ihn, müde und zufrieden, an ihrer Seite einschlafen, strich ihm mit der Hand über das verwirrte Haar und dachte daran, daß sie ihn nicht mehr liebte.
Es war keine plötzliche Erkenntnis - etwa durch einen Streit hervorgerufen -, sondern eher ein langsam in ihr reifendes Wissen, das sich nun voll entfaltet hatte. Sie hatte denselben Fehler wie viele junge Mädchen begangen und sich in ein romantisches Idealbild verliebt - ihr großer Vetter, der vollkommene Held. Vielleicht hätte sie das früher erkannt, hätte nicht General Leigh mit seinem Verbot ihren Trotz wachgerufen.
Nun kannte sie den Alltag, kannte George mit all seinen Fehlern. Sie spürte weder Abscheu noch Abneigung ihm gegenüber. Diese Ehe und alle sich daraus ergebenden Folgen waren ihre Entscheidung gewesen, und sie konnte nicht ihrem Mann die Schuld dafür geben, daß sie ihn nicht so gesehen hatte, wie er nun einmal war. Sie mochte ihn immer noch, hatte ihn gern, aber die Liebe war ihr verlorengegangen, und insgeheim trauerte sie darüber.
Nicht lange nach Georges Abreise (Bath
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