Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
erzählte Annabella ihr mit zitternder Stimme von Byrons Drohung, Susan Boyle in dieses Haus zu bringen, »Womit habe ich es nur verdient, Augusta, daß er mir so etwas antut?« Augusta sagte grimmig: »Er wird es dir nicht antun, verlaß dich darauf.«
    Annabella spürte grenzenlose Erleichterung. Augusta war da und würde alles wieder in Ordnung bringen. Nach einiger Zeit überwog erneut ihre Skepsis: »Aber warum, Augusta, warum?«
    Augusta seufzte. »Bell, es liegt vielleicht nur daran, daß für Männer diese Zeit auch sehr schwierig ist. Sie fühlen sich überflüssig, verstehst du, und das Warten zehrt auch an ihren Nerven.« Mit einem schwachen Lächeln fügte sie hinzu: »Besonders das Warten darauf, wieder mit ihrer Frau in einem Bett zu liegen.« Annabella errötete. Augustas unumwundene Ausdrucksweise berührte sie noch immer peinlich.
    »Glaubst du wirklich, daß es deswegen… und außerdem bin ich im Augenblick sehr häßlich.« Augusta drückte ihre Hand und sagte tröstend: »Unsinn. Du hast dich ein bißchen verändert, aber das ist ganz normal. Was meinst du, wie ich jedesmal ausgesehen habe? George fragte sich immer, ob er nicht eine andere Frau vor sich hätte.« Sie lachte. »Und ich war viel gereizter als du - sprich mit der armen Nanny!« Annabella durchschaute, wie gern sie sich auch auf diese Behauptung eingelassen hätte, die Wahrheitsverdrehung. Trotzdem wollte sie mit Augusta ihre Theorien über Byrons Geisteszustand erörtern. Sie erinnerte an den angeblich in der Familie liegenden Wahnsinn.
    Diesmal machte sich ihre Schwägerin nicht darüber lustig, sondern blickte sehr ernst und nachdenklich drein: »Es kann schon sein - das mit dem Familienwahnsinn«, sagte sie traurig, Annabella kam nicht auf den Gedanken, diese Äußerung auf die Sorgen um die kleine Augusta Charlotte zu beziehen, Sie erklärte fast triumphierend: »In meinen Augen ist es so gut wie eindeutig. Der Wahnsinn muß ihn zumindest gestreift haben. Da du nun hier bist, Augusta«, sagte sie, »wird er vielleicht etwas öfter daheim bleiben.« Augusta zuckte die Achseln. Dabei fiel Annabella wieder das Medaillon auf; das sie trug, und dessen genaues Gegenstück sie bei Byron gesehen hatte. Betont unauffällig murmelte sie: »Was für ein hübscher Schmuck - kann ich mir ihn einmal umlegen?« Ohne weitere Umstände faßte Augusta sich in den Nacken, löste den Verschluß und drückte das Kettchen nebst Anhänger Annabella in die Hand. Diese betrachtete es aufmerksam. Das Medaillon war in zartem Filigransilber gearbeitet und trug auf der Rückseite eine Gravur: B und drei Kreuze. »Ein Mitbringsel von eurer Hochzeitsreise«, sagte Augusta munter.
     
    Ein Geräusch ließ Augusta aufschauen. Byron stand hinter ihr und beobachtete sie, der Himmel mochte wissen, wie lange schon. »Was ist nur aus uns allen geworden, Gus?« fragte er leise und setzte sich zu ihr. »Was auch immer«, erwiderte sie behutsam, »es ist so, es läßt sich nicht ändern, und wir müssen das Beste daraus machen.«
    Augusta hatte ihr Versprechen wahrgemacht und Annabellas Vertrauen nie mißbraucht. Sie legte ihm zart die Hand auf den Nacken. »Habe ein wenig Geduld mit ihr, bitte, Liebster. Sie trägt dein Kind, und es geht ihr nicht gut.«
    »Das ist ihr Normalzustand«, murmelte er. Augusta blinzelte ihm zu. »Und dein Normalzustand? Der übertrifft den ihren natürlich gewaltig an Gesundheit?« Er mußte lachen, ein schwaches Echo seines früheren Gelächters. »Liebste Augusta.«
    Augusta blickte in das wärmende Feuer. »Die Flammen sehen aus wie widerspenstige Höflinge, nicht? Unter dem Eindruck, der Prinzregent taucht bald auf.« Sie trug an diesem Tag ein Kleid aus dunkelrotem Satin und wirkte dadurch selbst etwas wie eine Flamme, fand Byron. »Nein, nein - das sind die Tänzer von Paris.« In Paris hatte sich nach dem endgültigen Sieg der Alliierten über Napoleon abermals die vornehme Welt Europas versammelt.
    Der Gedanke an Paris brachte ihn auf das sinnlose Gemetzel von Waterloo, und er sagte: »Es tut mir leid wegen Frederick Howard, Gus.« Frederick Howard, einer der zahlreichen Carlisle-Söhne, eng mit Augusta befreundet und frisch mit einer weiteren Cousine vermählt, war einer der vielen gewesen, die auf den Feldern von Waterloo ihr Leben gelassen hatten.
    Byron wußte, wie sehr Augusta ihren Vetter gemocht hatte - einmal hatte sie ihm erzählt, sie sei als zehnjähriges Mädchen in Frederick verliebt gewesen, habe aber nie gewagt, es

Weitere Kostenlose Bücher