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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ihm zu gestehen - und wollte ihr auf diese Art mitteilen, wie sehr ihn der ganze kindische Streit mit den Howards und dadurch mit Augusta reute. Sie seufzte. »Frederick Howard… so viele sind tot aus unserer Kindheit…«
    Augusta schüttelte sich. »Wenn wir nicht bald aufhören, Geister zu beschwören, enden wir bei unserem Vater und seinen Mätressen, und dann haben wir die gesamte Unterwelt hier!« Der melancholische Bann des Feuers war gebrochen. Er fragte: »Apropos Unterwelt - hast du die Geschichte mit Dick dem Dandy-Killer gehört? Das war das große Halali für den armen Brummel, fürchte ich. Wenn er nicht schleunigst außer Landes flieht, kann er sein Domizil im Schuldenturm aufschlagen.«
    Unter der Bezeichnung »Dick der Dandy-Killer«, die der boshafte Scrope Davies eingeführt hatte, verbarg sich der reiche Zuckerbäcker Richard Myler. Er hatte sich, überzeugt, der Prinzregent würde trotz allem wieder zu Beau Brummel zurückfinden, mit anderen auf ein Geschäft eingelassen, um dreißigtausend Pfund für den König der Dandys aufzubringen, mit einem eigenen Beitrag von siebentausend Pfund. Doch als ihm zu Ohren kam, daß keine Aussicht auf Rückgabe des Geldes bestand, stellte er Brummel öffentlich im White’s Club zur Rede und löste so einen riesigen Ansturm von Gläubigern aus, die mittlerweile nächtelang vor Brummels Haus kampierten.
    Augusta schnitt eine Grimasse. »Wenn er geht, wer soll euch armen Männern dann sagen, was ihr anzuziehen habt?« Sie musterte ihn kritisch und ahmte Brummels leicht näselnde Stimme nach. »Mein lieber Lord Byron, das Hemd, das Sie da tragen, ist unmöglich und kann nur den Straßenfegern der letzten Saison zugemutet werden. Die Manschetten an Ihrem Ärmel bestehen aus Perlmutt, obwohl ich ausdrücklich angeordnet habe, nur Elfenbein zu tragen. Und was Ihre Schuhe angeht - auf dem linken Rand des rechten Vorderteils Ihres linken Stiefels befindet sich ein Reck! Wie rechtfertigen Sie das, mein Herr?«
    Byron stand auf und verbeugte sich tief vor ihr. »Verzeihung, aber das liegt an meiner Menagerie. Ich habe eine Gans im Haus, die von der dort ebenfalls ansässigen Ente ständig terrorisiert wird und mir deshalb dauernd vor die Füße flattert.« Augustas Gesicht sah in dem schwachen Licht wie das einer zufriedenen Katze aus. »Ein seltsames Tier, Lord Byron. Wie können Sie nur mit so etwas leben?«
    »Oh, man gewöhnt sich an alles, wissen Sie. Ein so geduldiger und sanftmütiger Mensch wie ich liebt sogar ihr Geschnatter.«
     
    Annabella lag in ihrem Bett, hörte die Geschwister lachend die Treppe hinaufkommen und wußte in diesem Moment nicht, wen sie am meisten haßte: Byron, Augusta oder sich selbst Mittlerweile war aus dem Argwohn ihrem Gatten gegenüber eine Art Verfolgungswahn geworden. War er schlechter Laune, hielt sie ihn für wahnsinnig, wenn er lachte, so wie jetzt, spürte sie brennende Eifersucht auf diejenige Person, welche ihn zum Lachen gebracht hatte.
    Andererseits konnte sie Augusta nicht gehen lassen. Bei aller Eifersucht liebte sie ihre Schwägerin, sie brauchte sie und fühlte sich nur mit Augusta an ihrer Seite vollkommen sicher und ruhig. Von der Treppe drang Byrons Stimme zu ihr. »… kannst du Bell sagen, daß ich mit der Boyle gebrochen…« Er wurde wieder undeutlich. Augustas Antwort verstand sie nicht mehr.
    Die Schritte entfernten sich in das zweite Obergeschoß, wo Augusta ihr Zimmer hatte. Nach einer Weile hörte sie Byron wieder herunterkommen.
    Sie wartete, da sie wußte, daß Augusta auf jeden Fall noch einmal nach ihr sehen würde, bevor sie sich endgültig zur Ruhe legte. Wenig später öffnete sich sachte die Tür, und sie erkannte Augustas Flüstern: »Bell?« Annabella wisperte: »Ich bin noch wach, Augusta.« Byrons Schwester kam auf sie zu, und Annabella, deren Augen sich längst an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah, wie sich Augustas Figur unter dem spitzenbesetzten Morgenrock, den sie trug, abzeichnete: groß und schlank.
    Augusta beugte sich über sie und küßte sie auf die Stirn. Annabella fühlte, wie ihre Lippen brannten. Augusta roch schwach nach Seife und nach einem merkwürdig faszinierenden Parfüm.
    Plötzlich klammerte sich Annabella an ihre Hand. »Bleib heute bei mir, bitte, bleib bei mir!« Augusta zögerte innerlich und gab dann nach. Annabellas Niederkunft war innerhalb der nächsten zwei Wochen zu erwarten, und es mochte besser sein, sie in der Anspannung nicht allein zu lassen, auch wenn Mrs.

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