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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Spionageposten vorbereitet. Er unterbrach seinen Monolog nur einmal, um zu fragen:
    »Hören Sie mir eigentlich zu, Cousine?«
    »Gewiß«, murmelte Augusta und wünschte sich hundert Meilen und hundert Jahre weit weg von hier. Schweigend ließ sie seine Moralpredigt über sich ergehen.
    Erst als sie ein dumpfes Poltern vernahm, stand die Übermüdete Augusta auf und lief hinaus, um die zwei eben eingetretenen Betrunkenen zu empfangen. Captain Byron, der ihr nacheilte, wußte nicht, wer ihn mehr entsetzte: der lauthals singende Hobhouse oder sein Vetter, der über das Stadium der Fröhlichkeit schon weit hinaus war.
    Hobhouse bemerkte das Empfangskomitee und unterbrach seinen Abgesang der Nationalhymne. »Oh, Mrs. Leigh!« Er schwankte auf sie zu und kniete dann - nicht ohne einige Aus-rutscher - vor ihr nieder, »Meine liebe Mrs. Leigh, liebste Mrs. Leigh, Sie sind d-d-die wundervollste Frau der Welt. I-i-ich bin völlig verliebt in Sie und b-b-bitte Sie, mich zu heiraten.«
    Captain Byron fiel nichts Besseres ein, als Hobhouse anzustarren und mißbilligend zu erklären: »Aber Mrs. Leigh ist doch schon verheiratet!« ~ »Ich liebe sie trotzdem«, lallte Hobhouse, erhob sich taumelnd und wäre gestürzt, wenn Augusta ihn nicht gehalten hätte. »Sie sind ein Idiot, Hobhouse«, sagte sie ärgerlich. »Vetter George, bringen Sie ihn in irgendein Gästezimmer, und bitte tun Sie es schnell.« Dem Captain blieb nichts anderes übrig, als Hobhouse die Treppe halb hochzuziehen, halb zu schleppen, während dieser von neuem die Nationalhymne anstimmte.
     
    Er beschloß, Lady Byron von diesem Vorfall unbedingt zu unterrichten. Augusta, die die ganze Zeit ihren Bruder nicht aus den Augen gelassen hatte, berührte ihn sachte am Arm.
    »Komm«, flüsterte sie, »bitte.« Er machte ein paar Schritte auf sie zu und brach zusammen. Als Captain Byron ohne seine unliebsame Last zurückkehrte, fand er Augusta neben ihrem Bruder kniend und ihn umarmend. Er setzte abermals seine Muskelkraft ein, um Byron in sein Schlafzimmer zu befördern.
    Dann wollte er sich unbedingt sofort an seinen Schreibtisch begeben. Lady Byron mußte von den neuesten Vorkommnissen erfahren.
     
    Annabella war ungehalten über die Schwierigkeiten, die sich vor ihr auftaten. Lushington hatte ihr eröffnet, daß sie Zeugen brauche, um »den Druck« jemals ausspielen zu können. Sie fühlte sich versucht, Captain Byron etwas direkter zu instruieren, als ein Billet von Lady Caroline Lamb kam. Caroline bat um eine kurze Unterredung. Da Annabella ohnehin vorhatte, nach London zu fahren, um dort mit Lushington direkt ihre Sache vertreten zu können, willigte sie ein.
    Caroline besuchte Lady Byron, schwarz verschleiert, die Augen niedergeschlagen und unendliche Trauer in der Stimme. »Oh, meine liebe Annabella, du ahnst nicht, welche Vorwürfe ich mir mache! Ich hätte dir all diese Leiden ersparen können.« Sie war immer noch eine blendende Schönheit. Caroline führte ein Taschentuch an die Augen. »Liebste Cousine, niemand weiß so gut wie ich, wie schrecklich das alles für dich gewesen sein muß. Aber er«, Annabella sah ein flüchtiges Beben auf Carolines zarter Haut, »er schwor mir, solche Verbrechen niemals zu erneuern. Sonst hätte ich dir schon längst von der furchtbaren Entdeckung erzählt, die mir auf der Seele lastet.«
    Annabella wußte dagegen, daß Caroline sich sofort, nachdem ihre Abreise publik geworden war, am Picadilly eingefunden und sich Byron ein weiteres Mal als Mätresse angeboten hatte.
     
    Offensichtlich bisher ohne Erfolg. »O Annabella, es fing schon an, als er von einer Liebe sprach, die alles übertraf, was er bis jetzt kennengelernt hatte - alles. Und dann, später, zeigte er mir Briefe und - alle Schrecken der Welt schüttelten mich, als ich die Unterschrift sah.« Sie verstummte, schien mehrere Male ansetzen zu wollen und stammelte schließlich: »Seine Schwester, Annabella, seine Schwester!«
    »Danke, Caroline«, sagte Annabella kühl, »das weiß ich bereits.« Der ganze Auftritt entsprach vollkommen Carolines Art: schlecht, melodramatisch und geschmacklos. Doch entweder hatte Caroline sie nicht gehört oder nicht hören wollen, denn sie sprach bereits weiter, »…schrieb sie ihm: ›O Byron, wenn wir doch zusammen leben und uns lieben könnten, wie wir es als Kinder getan haben! Damals war es unschuldig‹.« Sie verstummte und sah ihre Cousine erwartungsvoll an.
    Annabella gestattete sich ein Achselzucken. »Das zumindest

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