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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Trotzdem hoffte sie bis zum Erhalt dieser Nachricht das Beste. Hatte sich nicht alles zum Guten gewendet, und war Bell jetzt nicht von der Furcht befreit, ihr Gatte könnte geisteskrank sein? Als sie nun Annabellas Brief erhielt, fühlte sie sich hin und her gerissen. Sie wußte, wie unglücklich die Ehe von Byron und Annabella gewesen war, und glaubte sich dafür mitverantwortlich, weil sie ihren Bruder zu einer Heirat überredet hatte.
     
    Auf Annabellas Frage gab es für sie daher nur eine Antwort:
    »Du wirst immer meine liebste Schwester sein! Wie könntest Du etwas anderes für mich bedeuten…«
    Am selben Tag traf Sir Ralph Milbankes Brief ein. Augusta überlegte und schickte ihn dann ungeöffnet wieder zurück. In einer an Annabella gerichteten Erklärung bat sie, diesen letzten Schritt noch einmal zu überdenken, da er gerade in Byrons jetzigem Zustand schlimme Auswirkungen haben könnte. Die Antwort kam diesmal von Annabellas Mutter Judith:
    »Annabella hat gerade Ihren Brief bekommen. Ich glaube, daß in dieser Welt nicht mehr lange irgendeine Sorge um sie notwendig sein wird. Sie ist in einem schrecklichen Zustand und aufgeregt in einem Grad, der entsetzenserregend geworden ist.
    Ihr grausamer böser Bruder hat ihr Herz gebrochen… Ich glaube nicht, daß Sie ein Recht hatten, den Brief aufzuhalten… Sie sind nicht dazu da, um über ihn zu urteilen… Die Gründe dafür, den Brief aufzuhalten, werden nächste Woche, nächsten Monat und nächstes Jahr und so weiter immer noch dieselben sein - Wünschen Sie meiner armen unglücklichen Tochter, den Taten entweder eines Wahnsinnigen oder eines grausamen Wilden ausgeliefert zu sein?… Warum ihn auf ihre Kosten bevorzugen?«
    Diesmal kam Sir Ralph persönlich, nicht um mit Byron zu sprechen, sondern um seinen Brief Fletcher direkt zu übergeben.
    Danach verschwand er wieder, ohne Augusta eines Blickes zu würdigen.
    Byron reagierte weniger wütend und zornig als mit ehrlicher Verwunderung.
     
    2ter Februar 1816
    Mein Herr,
     
    - Ich habe Ihren Brief erhalten. Auf die unbestimmte und allgemeine Beschuldigung, die er enthält, bin ich natürlich um eine Antwort verlegen - ich werde mich deshalb auf die greifbare Tatsache beschränken, die Sie als eines der Motive für Ihren gegenwärtigen Vorschlag anzuführen belieben. - Lady Byron wurde von mir nicht des Hauses »verwiesen« - sie schied von mir in anscheinender - und auf meiner Seite - wirklicher Harmonie… - Ich bin mir allerdings keiner einzigen kränkenden Behandlung bewußt, die Ihrer Tochter widerfahren ist: - sie mag mich finster - zu Zeiten heftig - gesehen haben, aber sie kennt die Ursachen zu gut, um solche Schwankungen des Ge-müts auf sich selbst zurückzuführen… - Und nun, mein Herr - nicht zu Ihrer Genugtuung - denn ich schulde Ihnen keine - sondern zu meiner eigenen -, um Lady Byron gerecht zu werden - ist es meine Pflicht zu sagen, daß es seitens ihres Benehmens; - Charakters - Gemüts - ihrer Fähigkeiten - oder Veranlagung nichts gibt - das meiner Meinung nach zum Besseren hätte gewendet werden können - weder in Worten noch in Taten - noch (soweit man in Gedanken eindringen kann) in Gedanken, kann ich mir einen Fehler von ihrer Seite in Erinnerung rufen - kaum sogar eine Schwäche…
    Sie ist die Mutter meines Kindes - solange ich nicht die ausdrückliche Billigung Ihres Vorgehens habe - werde ich mir erlauben, die Schicklichkeit Ihres Dazwischentretens zu bezweifeln.
    Das wird bald festgestellt sein - wenn es das ist - werde ich Ihnen meinen Entschluß unterbreiten - der sehr wesentlich von dem ihren abhängen wird. - Ich habe die Ehre Ihr gehorsamster & sehr ergebener Diener zu sein
     
    Byron.
     
     
    Er schrieb auch an Annabella, erst indirekt durch Augusta, dann selbst. Seiner Meinung nach war die Prinzessin der Parallelogramme erheblich von ihren Eltern beeinflußt worden, und er fragte sie, ob sie ihn sehen wolle, ob die Trennung wirklich ihr eigener Entschluß sei. Annabella antwortete nicht. Damit waren die Fronten abgesteckt. Byrons bis dahin gemäßigte Stimmung schlug ins Gegenteil um, und er unternahm mit dem zunächst widerstrebenden Hobhouse eine Sauftour durch die Stadt.
    Augusta wartete bis zwei Uhr morgens in der Bibliothek, neben ihr Captain Byron, der seine Ansichten zu dem Verhalten seines Cousins ausführlich zum besten gab. Er hatte ohne das Wissen der Geschwister angefangen, mit Annabella zu korrespondieren, und wurde langsam von ihr auf einen

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