Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
hast du erfunden, Caroline. Sie lebten als Kinder voneinander getrennt.« Caroline zuckte zusammen. Plötzlich begannen ihre Augen zu leuchten, und sie lächelte ihr bezauberndstes Lächeln.
    »Du glaubst mir nicht? Du glaubst nicht, daß ich die Briefe tatsächlich gesehen habe? Ach, Annabella«, sie wirkte verträumt,
    »ist dir je aufgefallen, daß sie beide gewisse Zeichen verwenden? Zum Beispiel«, sie legte zwei Finger auf eine bestimmte Art aufeinander, »dieses Zeichen? Nicht wahr, meine Liebe?«
    Ihre Augen trafen sich in seltsamer Übereinstimmung. Annabella war mit einem Mal enthusiastisch gestimmt. Caroline wußte und ließ sich als Zeugin verwerten. Und - was ein anderes Naturell als Annabellas sofort als Rachewunsch erkannt hätte - bei Carolines Veranlagung bestand keine Möglichkeit, daß sie jetzt noch ihr Wissen für sich behielt. Annabella wurde somit der lästigen und unpassenden Aufgabe enthoben, der bereits tuschelnden Öffentlichkeit klarzumachen, daß sie nicht eine Frau war, die ihren Mann verlassen hatte, sondern ein Opfer auf der Flucht. Mit einer liebenswürdigen Handbewegung winkte sie Caroline näher. »Meine liebe Caroline«, sagte sie freundlich,
    »warum erzählst du mir nicht mehr?«
     
    Mittlerweile war es Ende Februar. Hobhouse hatte sich noch nie so elend gefühlt wie an dem Tag, als er am Picadilly vorsprach.
    Er wurde von Augusta empfangen. Da er noch keine Gelegenheit gefunden hatte, sich bei ihr für sein Verhalten an jenem Abend zu entschuldigen, wußte er nicht recht, wie er anfangen sollte.
    Er mochte Augusta Leigh, auch wenn sie ihn wegen einiger abfälliger Bemerkungen über Lady Byron scharf zurechtgewiesen hatte und er nicht ganz ihr Verhältnis zu Annabella verstand.
    Offensichtlich versuchte sie, beiden Parteien gerecht zu werden.
    Augusta war mittlerweile im sechsten Monat, und die Spuren der Erschöpfung fielen ins Auge. Verlegen begann Hobhouse:
    »Mrs. Leigh, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll…«
    »Aber ich«, unterbrach sie ihn mit zuckenden Mundwinkeln, »Sie haben sich wie ein Trottel aufgeführt, und es tut Ihnen leid. Schon gut, Mr. Hobhouse.« Hobhouse fühlte sich ungeheuer erleichtert und fand sie einmal mehr charmant. »Sie müssen nicht glauben, daß ich normalerweise auf… auf diese Art…« Augusta hatte Hobhouse früher eigentlich nie besonders gemocht, aber nun erweckte das unbeholfene Verhalten dieses sonst so selbstsicheren Mannes ihre Sympathie. »Mr. Hobhouse, ich weiß, Sie sind sonst immer ein äußerst standfester Charakter.«
    »Aus Zinn«, sagte Byron, der eben den Empfangsraum betrat.
    »Tag, Hobby. Kommst du wegen Spooneys Verhören?« Hanson, der von Lushington einige Aussagen von Annabella und ihrem Personal erhalten hatte, hatte begonnen, die zurückgebliebenen Bediensteten von Picadilly Terrace über die Ehe seines Klienten zu befragen, um etwas Material in die Hand zu bekommen. Hobhouse schüttelte den Kopf und musterte seinen Freund. Byron versagte sich zur Zeit jeden Alkohol, grübelte statt dessen stundenlang und war abwechselnd reizbar und gut gelaunt.
    Hobhouse fand, daß er trotzdem nicht viel besser aussah als seine Schwester. Vielleicht hätte er Le Mann doch nicht feuern sollen. »Wir haben seit einiger Zeit einen neuen Hausgast«, sagte Byron und verzog das Gesicht. »Cousin Robert Wilmot fühlte sich ebenfalls verpflichtet, mir in dieser Stunde der Not beizustehen.« Robert Wilmot war auf Anraten seines Vetters Captain Byron gekommen, nicht etwa aus großer Sympathie für den derzeitigen Lord Byron. Da Wilmot ein ähnlich aufbrausendes Temperament wie Byron hatte, stand zu erwarten, daß er sein moralisches Mißfallen schneller und weniger zurückhaltend äußern würde als der Captain.
    Hobhouse zwang sich, jeden abschweifenden Gedanken zu unterdrücken: »Der Grund, aus dem ich gekommen bin, hat nur indirekt etwas mit Hanson zu tun. Es geht in der Stadt ein Gerücht um, das«, er schluckte, »das dich und Mrs. Leigh betrifft.«
    Er sah die Geschwister unwillkürlich nach der Hand des anderen greifen und spürte eine tiefe Traurigkeit. »Diesmal ist es kein verstecktes Getuschel mehr. Es ist ein offener Skandal, und obwohl die Person, die mit dem Gerede angefangen hat, wieder dieselbe ist, findet sie diesmal überall Gehör. Die ganze Stadt, könnte man sagen.«
    Hobhouse untertrieb. Die Trennung von Lord und Lady Byron war zur Schlagzeile jedes Provinzblattes geworden. »Lord Byron«, schrieb die Morning Post,

Weitere Kostenlose Bücher