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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Theater großartig, die Bibliothek ausgezeichnet, und über die Galerien weiß ich nichts - außer soviel, daß mir unter tausend Gemälden nur ein einziges gefällt. Am meisten entzückt hat mich aber eine Handschriften-sammlung (die in Ambrosiana aufbewahrt wird), die originalen Liebesbriefe und Verse von Lucrezia de Borgia & Kardinal Bembo; und eine Locke ihres Haares - so lang - und blond & wunderschön - und die Briefe so hübsch & zärtlich, daß man sich unglücklich fühlen kann, nicht früher geboren zu sein, um sie wenigstens erblickt zu haben. Und nun stell Dir vor, was glaubst Du, ist eine ihrer Unterschriften? - nun, es ist dies, ein Kreuz - das, wie sie sagt, »für ihren Namen stehen soll &c.«. Ist das nicht reizend?
    …Ich bin so sehr in Eile & so schläfrig, aber so begierig, Dir wenigstens ein paar Zeilen zu schicken, meine liebste Augusta, daß Du mir vergeben wirst, wenn ich Dir so viele Umstände bereite; und ich werde sehr bald wieder schreiben; aber ich habe Dir in der letzten Zeit so viel geschickt, daß Du vielleicht zu viel haben wirst. Tausend Liebesgrüße von mir an Dich - was sehr großzügig ist, denn ich will nur einen dafür haben.
    Immer, Liebste,
     
    der Deine
    B
     
     
    Er war eben, wie er war, und sie liebte ihn. »Manfred« hin,
    »Manfred« her, dachte Augusta, wenn es die Briefe nicht gäbe, wäre das Leben ohne ihn unerträglich für sie.
    Im November gebar sie eine Tochter, die nach Augustas Mutter den Namen Amelia erhielt, von ihr jedoch nie anders als Emily genannt wurde.
    George Leigh folgte den Rennen wie eh und je. Aber in der Zeit nach Byrons Abreise war er bei ihr geblieben und hatte sie besonders liebevoll behandelt, wofür sie ihm immer dankbar sein würde. Er und sie kamen gut miteinander aus. George fragte sie nie nach ihrer Korrespondenz mit ihrem Bruder, ganz im Gegensatz zu Mrs. Villiers, mit der sich ein anderes Naturell als Augusta wahrscheinlich schon längst zerstritten hätte.
    Doch sie kannte Thelma Villiers nun schon seit ihrer Kindheit und vergaß nie die gemeinsam verbrachten glücklichen Zeiten.
    Und vor allem gab es für sie keinen Zweifel an Mrs. Villiers’ aufrichtiger Freundschaft: Sie war eine der wenigen Bekannten Augustas, die ihr während des ganzen Skandals öffentlich zur Seite gestanden hatten.
    Thelma Villiers wiegte sich in der Vorstellung, nur auf Augustas Rettung von dem Bösen hinzuarbeiten. Es kam ihr nie in den Sinn, daß sie Handlangerdienste für eine Frau verrichtete, um eine ihrer ältesten Freundinnen bloßzustellen. So widmete sie sich eifrig ihrem Missionarsdienst, griff jedes bösartige Gerücht über Byron auf und gab es mit eigenen Ausschmückungen versehen schriftlich oder mündlich an Augusta weiter.
    Annabella war mittlerweile besessen von der Notwendigkeit, Augusta zur Buße zu bewegen. Sie hatte geglaubt, daß sich nach Augustas Geständnis in ihrer Seele Frieden einstellen würde, die unendlich wohltuende Sicherheit, richtig gehandelt zu haben. Das aber war nicht der Fall. Annabella verwünschte sich selbst, weil sie das Gespräch ohne Zeugen hatte stattfinden lassen. Würde sich eine solche Gelegenheit wieder ergeben?
    Dieses… dieses Halbgeständnis reichte ihr nicht. Sie wollte ein Reuebekenntnis. Sie wünschte, Augusta in Sack und Asche zu sehen, bis in alle Ewigkeit büßend.
    Es gab niemanden, den sie so sehr haßte wie Augusta mit ihrem Spatzenhirn, ihrem mittelmäßigen Aussehen und der nicht vorhandenen Moral: »Sie scheint kein anderes Prinzip zu haben als dieses: ›Wenn etwas niemanden unglücklich macht, dann ist auch nichts Böses dabei‹«, schrieb sie an Mrs. Villiers.
     
    Byron hatte sich für längere Zeit in Venedig niedergelassen. Er fand die Stadt und ihre Atmosphäre bezaubernd, mit einem Einschlag von östlicher Exotik, die ihn schon seit jeher fesselte. In Mailand hatte er mit Polidori auch seine düstere Stimmung abgeschüttelt. Wirklich unmöglich, dieses Nervenbündel noch länger bei sich zu behalten - eigentlich hatte er ihn schon in Genf verabschiedet. Doch Polidori hörte nur, was er hören wollte.
    Byron genoß das Leben in Italien, Ihm gefiel die Lebensart der Italiener, Landsleuten ging er tunlichst aus dem Weg. Er entdeckte allerdings zu seinem Entsetzen, daß er zu einer Art kontinentaler Touristenattraktion geworden war. »Der Teufel soll sie holen!« sagte er ärgerlich zu Fletcher. »Sie sind allesamt davon besessen, mich in ihrem Postskriptum hinter dem Markusplatz und

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