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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ihre Rachsucht mit Hilfe des Gesetzes auslebt. Miss Milbanke, die moralische Klytämnestra.« Er schwieg eine Weile und fügte schließlich hinzu, plötzlich sehr verwundbar aussehend: »Sie glauben vielleicht, ich verachte die Frauen. Das ist nicht so. Wenn ich mit einer einzigen Frau an einem einzigen Ort zusammenleben könnte, hätten Sie in mir den überzeugtesten Lobpreiser der Menschheit.«
    In Byron, der sich seit »Manfred« seine Werke von Murray bezahlen ließ (das Leben im Exil war teilweise noch teurer als das in England), reifte schon seit längerem der Plan zu einem neuen Versepos in der Art von »Beppo«.
     
    Mir fehlt ein Held: ein sonderbarer Fehler,
    Denn jährlich kündigt sich ein neuer an
    Und überfüllt mit Humbug die Journäler
    Doch schließlich ist er nicht der rechte Mann.
    Für diese Sorte ward ich nicht Erzähler,
    Und darum nehm ich mir Freund Don Juan…
     
    In Venedig, der Stadt Casanovas, lag eine Figur wie Don Juan einfach in der Luft. Byrons Don Juan wurde allerdings nicht der dämonische Frauenheld und Wüstling der Legende, sondern ein argloser hübscher Junge um die Sechzehn, dessen entwaffnende Unschuld und Naivität die Frauen dazu bringt, ihn verführen zu wollen. Nicht, daß ihm dafür die Empfänglichkeit fehlte. Schon sein Vater, Don Jose, ist bei Byron ein Schürzenjäger und sehr unhäuslich, weswegen ihn seine Gattin Doña Inez auf Wahnsinn untersuchen läßt. Die Beschreibung dieser Dame löste bei der Veröffentlichung in England neues Ärgernis aus, denn wiederum waren die Anspielungen für jeden erkennbar.
     
    Die Mutter war berühmt und hochstudiert
    In allen Fächern der Gelehrsamkeit,
    In jeder Sprache, die je existiert,
    Und tugendhaft nicht minder als gescheit:
    Die Klügsten fühlten sich vor ihr blamiert,
    Die Besten seufzten innerlich vor Neid,
    Weil alles, was die Frommen je erbaut hat,
    Verdunkelt ward von dem, was diese Frau tat.
     
    Kurzum, sie war ein wandelndes Exempel,
    Ein christlicher Roman, der ungebunden
    Herumlief, ein lebend’ger Weisheitstempel,
    Ein Auszug aus »des Weibes Weihestunden«,
    Ein Abdruck mit dem echten Tugendstempel,
    Den selbst der Neid untadlig hat gefunden:
    Vor andern Frauen hatte sie allein
    Den schlimmsten Fehler, fehlerfrei zu sein.
     
    Hobhouse und der Verleger Murray hatten schwerste Bedenken, ob eine Verserzählung wie »Don Juan« veröffentlicht werden könnte, noch dazu, wo das Epos von handgreiflichen Anzüglichkeiten durchsetzt war. Schon mit der Widmung war Ärger vorauszusehen:
     
    Bob Southey! du bist Dichter - Hofpoet
    Und Typus aller dieser großen Lichter,
    Und ein bekehrter Tory; das versteht
    Sich freilich ganz von selbst für solch Gelichter.
    Sag mal, mein epischer Judas, wie’s euch geht, Ihr unversorgten und versorgten Dichter?
    Ihr kommt mir vor, mit euren süßen Weisen,
     
     
    Wie »die Pastete mit den zwanzig Meisen«.
     
    Southey schäumte vor Wut, Obwohl »Don Juan«, erster Gesang, von Murray letztendlich anonym veröffentlicht wurde, erkannte jeder den Autor, und nicht nur Southey fühlte sich provoziert Das British Journal druckte einen langen Brief des Herausgebers ab, in dem er eigentlich die ganze Zeit gegen zwei Zeilen dieses Werkes protestierte:
    Indes zur Abwehr gegen prüde Kritische
    Bestach ich Großmamas Journal, das »Britische«.
     
    Man diskutierte über nichts anderes als die Mär vom jugendlich unschuldigen Don Juan, der von der gelangweilten Freundin seiner Mutter verführt wird und schnellstens das Weite suchen muß, nachdem beide von ihrem Ehemann entdeckt wurden.
    Diese Szene, in der Don Juan, im, statt unter dem Bett der Dame versteckt, zunächst der Entdeckung entgeht, um dann bei einem zweiten Besuch des gehörnten Gatten durch einen dummen Zufall verraten zu werden, wurde sofort als grenzenlos unmoralisch verdammt. Doch, wie in solchen Fällen üblich, wartete alles auf die Fortsetzung.
     
    Southey rächte sich für die Widmung auf nicht gerade feinsinnige Weise. Er verbreitete das Gerücht, Byron und Shelley würden »in einem Bund des Inzests« wechselweise mit Mary und Claire Shelleys Theorien der freien Liebe praktizieren.
    Shelleys Gattin in England starb, und da er miterlebt hatte, wie die englische Gesellschaft Mary behandelte, überwand er seine Vorbehalte gegen die Ehe und heiratete sie. Für ihre Freunde war sie schon längst Mrs. Shelley gewesen. Nach dem Tod ihres jüngeren Kindes, einer Tochter, kehrten er und Mary nach Pisa zurück, und Shelley

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