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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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aufzunehmen, reagierte Augusta zurückhaltend. Daß sie manchmal auch sarkastisch wurde »es kam mir nie in den Sinn, daß Du anders als in strengster Erfüllung Deiner Pflicht handeln könntest« - entging Annabella. Es irritierte sie, daß Augusta ihr »Freundschaftsangebot« offensichtlich durchschaut und es als das genommen hatte, was es war: eine unausgesprochene Erpressung. Doch Annabella war sich sicher, schließlich ihr Ziel zu erreichen.
    Augusta mußte von ihr abhängig werden.
    Die erste Zeile der Fortsetzung von »Childe Harold« genügte, um sie in Panik zu versetzen: »Gleichst du der Mutter, Ada, holdes Kind?« Byron kümmerte sich um Ada! Dabei hatte er bisher doch ein sehr distanziertes Verhältnis zu Kindern gehabt.
    Wenn er sich nach Ada sehnte, könnte er vielleicht sogar verlangen, was Annabella mehr als alles andere fürchtete, daß seine Tochter Augusta anvertraut würde. Augusta könnte - Schrecken aller Schrecken - zu ihm ins Ausland flüchten. Eine Flucht zu Byron, ob mit oder ohne Ada, würde sie für immer Annabellas Einflußnahme entziehen.
    Augusta mußte sich inzwischen um fünf Kinder, ein hochverschuldetes Gut und ihren Ehemann kümmern. Allein zu Byron zu reisen (und sich damit für immer aus England zu verbannen) kam für sie noch weniger in Frage als vorher.
     
    Annabella hätte ihre komplizierte Intrige aus Mildtätigkeit, Einschüchterung und Selbstrechtfertigung gar nicht entwerfen müssen. Augusta gab im Prinzip nichts auf, als sie sich Annabellas Bedingungen beugte, jenem unausgesprochenen Vertrag, von dem sie Byron kein Wort erzählte. Sie akzeptierte Annabellas gesellschaftliche und gelegentlich auch finanzielle Hilfe.
    Dafür verpflichtete sie sich, weder Byron ins Ausland zu folgen noch seine Ansprüche auf Ada zu vertreten.
    Doch Annabella wollte ein Geständnis. Zu diesem Zweck suchte sie die Bekanntschaft mit Augustas Freundin Mrs. Villiers, die Augusta öfter und auch länger besuchte, um ihr mit den Kindern zu helfen. Annabella versicherte Mrs. Villiers ihr ungebrochenes Wohlwollen gegenüber Augusta und ließ durchblicken, daß sie willens sei, alles Vergangene zu verzeihen.
    »Mein großes Ziel neben der Sicherheit meines Kindes ist deswegen die Wiederherstellung ihres Geistes in einen Zustand, der religiös erwünschbar ist.«
    Damit hatte Annabella den richtigen Ton getroffen. Mrs. Villiers verabscheute Byron und hielt seinen Einfluß auf Augusta - welcher Art auch immer - für katastrophal. In ihren Augen war er für den Skandal, der Augusta beinahe zur Ausgestoßenen gemacht hatte, verantwortlich. Jeder Versuch, Augusta von ihm zu trennen, konnte daher auf ihre volle Unterstützung rechnen.
    Sie antwortete Annabella begeistert und erhielt detaillierte Instruktionen:
    »Vielleicht kann keine menschliche Macht den Geist der Demut und Reue erschaffen, um den ich Gott für sie bitte. Wenn Sie ihr Bestes wollen, urteilen Sie weise und erscheinen Sie vollkommen arglos. Lassen Sie uns nicht ungeduldig mit einem
    »verseuchten Geist‹ sein.«
    Mrs. Villiers, eine eifrige Leserin von »Glenarvon«, richtete sich danach. Sie war ein Muster an Geduld. Stündlich flossen bei ihren Besuchen Ermahnungen und moralische Belehrungen über ihre Lippen, brachte sie in ihren Bußpredigten Verdammungen von Byron und dringende Aufrufe zur Reue unter, umsonst. Schließlich schrieb sie Annabella; »Haben Sie ihr gesagt, daß er sie an andere verraten hat, oder glauben Sie, daß es möglich ist, dies zu tun? Wenn sie einmal dazu gebracht wird, diese Tatsache zu glauben, erhoffe ich mir viel davon.«
    Alle Affären Byrons konnten Augusta offensichtlich nicht berühren. Doch Mrs. Villiers hatte noch einen weiteren Verdacht aufgefangen, mit dem sie Byrons Schwester womöglich im Innersten treffen konnte.
    Annabella und Mrs. Villiers stimmten ihr Vorgehen auf das neue Ziel ab. Während Annabella in ihre Briefe Bemerkungen einfließen ließ, daß Byron »Dein schlechtester Freund, oder besser gesagt, überhaupt nicht Dein Freund« gewesen sei, brachte Mrs. Villiers das Gespräch bei ihrem nächsten Besuch wie von ungefähr auf die Londoner Gesellschaft. »Sie waren sehr hartherzig zu dir«, seufzte sie und legte Augusta die Hand auf die Schultern. »Andererseits, was soll man erwarten, wenn sie diese gräßliche Geschichte von Mylord selbst gehört haben.«
    Endlich reagierte Augusta. Jäh hob sie den Kopf. »Wie meinst du das, Thelma?«
    »Nun«, erwiderte Mrs. Villiers leise, aber

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