Wahnsinns Liebe
wie dir will ich schon gar nichts.«
Gerstl trinkt einen Schluck Bier und schreibt weiter.
»Einen wie dich müßte die Gegend hier ja ausspeien, so wie du sie beleidigst mit deiner dreckigen Schmiererei. Eine Landschaft, für die andere Leute von weit her anreisen! Gemalt wie geschissener Spinat.«
Gerstl nimmt offenbar nach wie vor nur das Notizbuch wahr, das vor ihm liegt. Um bei der schönen Mühle zu wohnen, müsse man gewisse Opfer bringen, hatte Mathilde ihn gewarnt. Jetzt ist offenbar die Zeit der Opfer gekommen.
Prillinger stellt sich neben ihn.
»Aber meine Frau will was. Die Frau will, daß du von mir ein Bild machst. Und zwar eins, wo mich alle drauf kennen.«
Gerstl schreibt weiter in sein Buch.
»Die Frau sagt: Der kann schon, wenn er will. Der studiert an der Akademie, hat sie gesagt, und da lernen die das richtig.«
Gerstl schreibt sehr konzentriert.
Prillingers Hosenlatz ist auf der Höhe seines Gesichts und er riecht dessen ungewaschenen Unterleib. Ohne ihn anzusehen, drückt Gerstl den Bauern weg.
»Oha, jetzt wirst aber frech.«
|152| »Das läßt sich durchaus noch steigern.« Gerstl sieht Prillinger nicht an, während er redet.
»Du wirst mich malen. Das sage ich dir.« Prillingers Stimme klingt nicht drohend, nur siegessicher. Er gönnt sich eine kurze dramatische Pause. »Ich sehe nämlich von unsrer Küche auf das Mühlenhaus. Auf deine Tür.«
Gerstl schreibt.
»Und ich weiß, wie die Dame heißt, die da zu Stunden herauskommt, wo eine Dame nicht bei einem jungen Mann herauskommt.«
Gerstl bricht ab. »Was reden Sie da?«
»Erst recht keine, die verheiratet ist.«
Er zuckt nicht mit der Wimper, als Gerstl aufspringt. »Raus, Prillinger.«
Der Bauer bleibt steinern stehen und sieht Gerstl an wie eins seiner Schweine, bevor er ihm mit dem Bolzen zwischen die Augen schießt. »Verstehst, ihr Gestörten seid mir alle gleich wurscht. Ob ihr euch erwürgt oder bescheißt oder erschlagt, geht mich nichts an. Aber wenn ihr es in meinem Haus treibt, dann ist eine … eine Luststeuer fällig.« Er lacht.
»Gut, was? Luststeuer. So dumm ist er gar nicht, dieser Prillinger, was?«
Gerstl steht auf und stemmt die Hände in die Seiten. »Prillinger. Wissen Sie eigentlich …«
Prillinger hat sich den zweiten Stuhl genommen und sitzt da wie ein ausgestopfter Biber. Er wirkt zufrieden und ausgeglichen. »Wenn Sie es treffen wollen, also wenn Sie wollen, daß jemand so ausschaut, wie er ausschaut – geht es dann oft daneben?«
»Manche Bilder«, sagt Gerstl, »mißlingen mir aus Sympathie.«
|153| »Und?« Prillinger ist schon ganz dabei, sich in seine Idealgestalt zu verwandeln. »Denk an den Bürgermeister«, hat seine Frau gesagt, »und so schaust dann.« Schließlich soll das Bild in der Stube hängen, zwischen dem Kachelofen und dem Kruzifix.
»Ihr Bild«, sagt Gerstl, »kann mir also auf keinen Fall mißlingen.«
Sein Satz weht ungehört zu der offenen Tür hinaus.
»Also dann«, sagt Prillinger. »Ich habe schon die rote Weste angezogen, die Schweine sind fertig, und Essen gibt es erst um sechs.«
»Wann ich ein Porträt male, Prillinger, entscheide ich.«
»In dem Fall, glaub ich, nicht.«
Der Biber sitzt reglos.
Gerstl steht reglos.
»Außerdem«, sagt Prillinger unter seinem speichelnassen Schnurrbart heraus, »weiß ich, daß der Ehemann von der Dame immer, wenn sie kommt, im Garten vom Hoisnwirt sitzt mit anderen Männern und redet.«
»Und?« Gerstl stellt seine Staffelei auf und knallt den Kasten mit den Tuben auf den Tisch.
»Ich kenne den Schallmeiner gut, dem der Hoisnwirt gehört.«
Gerstl fängt an, auf der vorgrundierten Leinwand exakt in der Mitte die Umrisse des turmartigen Schädels anzulegen, der übergangslos auf dem fast gleich breiten Hals sitzt.
»Bist du schon beim Gesicht? Sag was, dann muß ich ja still sitzen.«
»Ich bin schon beim Gesicht«, sagt Gerstl, während er die rote Weste hintupft. Er arbeitet angespannt wie |154| immer, aber noch schneller, hastig, getrieben. Als er das pomadisierte Haar malt und glattschmiert mit dem Pinsel, schlägt es vier. In einer Stunde wird Mathilde vorbeikommen, dann haben sie Zeit bis kurz vor sieben – so lange sitzt Schönberg erfahrungsgemäß mit seinen Schülern zusammen.
Gerstl strichelt Bartstoppeln auf das schwere Kinn und tritt einen Schritt zurück.
»Fertig?« fragt Prillinger mit fast geschlossenen Lippen.
Gerstl sagt nichts.
»Fertig?« fragt Prillinger noch mal. Dann stellt er sich
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