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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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das jetzt alles mit den hechtgrauen |163| Augen zu tun?« Friedell fragt, ohne den Blick von der leeren Bühne zu wenden, als sähe er seine Kindheitsfreundin Lina dort noch immer stehen.
    »Nichts. Gar nichts. Mit blauen Augen hat es was zu tun. Er hat sie mit blauen Augen gemalt, passend zum Kleid.« Altenberg hat das Champagnerglas in seinem Mantelzelt in Sicherheit gebracht.
    »Wer wen?« Loos hat wieder die Hand am Ohr.
    »Schönberg seine Mathilde«, brüllt Altenberg.
    »Und?«
    »Sie hat braungraugrüne«, sagt Altenberg und grinst. »Krötenfarbige. Ich würd ihr sagen: moosige. Und wenn er schon für ihren Kitzler keine Zeit hat, sollte er nach sechs Jahren Ehe wenigstens die Zeit gehabt haben, ihr mal in die Augen zu schauen.«
    Lina Loos steht da in einem blütenweißen Kleid. Ihr frischgewaschenes spiegelndes Gesicht wirkt hier so unpassend wie klare reine Gebirgsluft. »Was redet ihr denn da?« fragt sie.
    Altenberg rutscht vom Stuhl und kniet vor ihr auf die Fliesen. »Lina, du Leitstern in meinen Dunkelheiten … wir reden von der Liebe.«
    »Dann gehe ich«, sagt sie. »Das macht mich fertig und außerdem …« – sie legt den Kopf schräg und lächelt ihren ehemaligen Ehemann an – »verstehe ich nichts davon.«
    »Gut«, sagt Altenberg, immer noch kniend. »Dann reden wir eben von Perversität. Davon mußt du was verstehen, weil in der Zeitung steht, du seiest selber eine.«
    Friedell holt einen weiteren der ehemals blütenweißen Stühle vom Nachbartisch und schiebt ihn Lina unter den Hintern.
    |164| »Selber sitzen«, sagt sie aufatmend, »ist nach der Arbeit doch schöner als einen vor sich knien haben.«
    Altenberg erhebt sich, steigt dabei auf seinen Mantel und fällt gegen den Tisch. Kaum ist er von den anderen wie ein hilfsbedürftiges Kind auf seinen Stuhl verfrachtet, sagt er: »Wißt ihr eigentlich, was pervers ist? Was heißt denn bitte pervers? Soll doch jeder mal seine Definition abgeben.«
    »Wer ansagt, ist dran«, grinst Lina.
    »Für dich, Altenberg, ist doch fast nichts pervers«, fährt Loos dazwischen und gießt sich den Rest Champagner ins Glas. »Neulich hat mir eine Grabennymphe erzählt, daß du einer Kollegin freiwillig das Doppelte gezahlt hast, bloß weil sie dir hinterher, den Hintern über der Waschschüssel, noch ein selbstgemachtes Gedicht aufgesagt hat. Das nenne ich pervers. Einer Hure einen Literaturzuschlag zahlen!«
    Altenberg greift das volle Glas von Loos und gießt es in das noch unbenutzte vor Lina. »Pervers ist, daß ich Sandler mit Löchern in den Socken dem Stararchitekten Loos in seinem Maßanzug von Knize ein Geld leihe, das ich nicht habe. Und daß dann der Stararchitekt der Frau Schönberg ein Geld leiht und die ihm dankbar ist.«
    »Lina, du bist dran«, sagt Loos.
    Linas Lächeln hat sich im Dunst verflüchtigt. »Pervers ist«, sagt sie schleppend, »daß wir alle behaupten, die Liebe sei das Größte.« Sie trinkt das Champagnerglas auf einen Zug leer. »Und sie dann zu Kleinholz verarbeiten. Brennmaterial für jeden Tag.« Sie steht auf, die Rechte auf den Tisch gestützt, als hätte sie Angst, umzukippen. »Und ich gehe jetzt.«
    |165| Altenberg umklammert ihre freie Hand mit seinen beiden.
    »Ja, aber … was ist denn dann nicht pervers?«
    »Nicht pervers wäre es«, sagt sie und schüttelt die Hand frei, »für die Liebe den Verstand zu verlieren.«

    Der erste Schnee ist überraschend früh gekommen. Und hat alles zugedeckt. Doch während der zwei Sonnenstunden am Mittag ist die Oberfläche angeschmolzen und in der Dämmerung gegen fünf sofort vereist. Für den Weg zur Hohen Warte braucht er deshalb fast doppelt so lang wie erwartet. Daß die Haustür nicht abgeschlossen ist, nimmt er kopfschüttelnd zur Kenntnis. Aber eigentlich dürfte es mich nicht wundern, denkt er.
    Er ist froh, daß drinnen gut geheizt ist. Als er sich die Hände reibt und Richtung Ofen hält, hört er es vom anderen Ende des Raums: »Nicht Ihretwegen ist es hier so angenehm, bestimmt nicht. Denn was Sie vorhaben, das verdient keinerlei Wärme.«
    Lefler legt den Hut auf einen der grünbezogenen Sessel. Er wartet, während Gerstl mit den üblichen extremen Gebärden weitermalt.
    Eine halbe Stunde vergeht, ohne daß einer von beiden ein Wort redet.
    Erschöpft wirft sich Gerstl endlich in den Sessel gegenüber. »Das ist obszön. Widerwärtig«, schnaubt er. »Sie sind wie dieser Militär – wie hieß die Sau, die sie dann freigesprochen haben? –, der mit

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