Wahre Liebe lässt frei! - wie Frau und Mann zu sich selbst und zueinander finden
können uns nicht nicht beziehen. Das ist unmöglich.
Die Beziehung zwischen Frau und Mann nimmt in unserer westlichen Kultur einen übergroßen Raum ein, der ihr nicht gebührt. Wir sind verrückt nach diesem Thema und haben auch ziemlich verrückte Ansichten darüber, was diese Beziehung alles für uns leisten soll. Die meisten Romane, Filme, Zeitschriftenartikel und so viele Gespräche kreisen um die Themen »Mann und Frau« sowie »Partnerschaft und Liebesbeziehung«.
Wir unterhalten natürlich auch Beziehungen zu anderen Menschen: zu unseren Kindern, Freunden, Bekannten, zu Kollegen am Arbeitsplatz, im Club oder im Verein, zu Nachbarn,
Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten. Aber die Beziehung zu »meinem Mann«, »meiner Frau« oder »meinem Schatz« nimmt im Bewusstsein der meisten Menschen, die von diesem Thema noch nicht genug haben, den allergrößten Raum ein – bei den Frauen vielleicht noch etwas mehr als bei den Männern.
Das ist in vielen anderen Gesellschaften nicht so. Nicht nur bei sogenannten Naturvölkern oder – wie manche noch gerne sagen – »primitiven« Völkern, auch in unserer eigenen Geschichte gab es diese Überbewertung nicht.
Ich halte die Überbetonung der Paarbeziehung für äußerst ungesund, sowohl für die Beteiligten als auch für unsere Gesellschaft. Sie trägt nicht zu unserem seelischen Gleichgewicht bei. Dieses Übergewicht, das sich in der Sehnsucht nach »dem Einen« oder »der Einen« ausdrückt, mit dem oder der ich glücklich werden will, ist in meinen Augen mitverantwortlich für die große Einsamkeit und das innere Leid vieler Menschen sowie für das mangelnde Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühl, das wir in unserer Gesellschaft heute beobachten. Die zu große Bedeutung, die wir der Verbindung zweier Menschen beimessen, ist Ausdruck eines trennenden Denkens. Wir trennen uns hier zum einen von der wichtigsten Person in unserem Leben, von uns selbst, und andererseits von allen anderen Menschen, die in ihrer Wichtigkeit hinter dem Partner zurückstehen sollen.
Wir haben ein Dreiklassensystem der Liebe und der Beziehungen eingeführt. An erster Stelle stehen der Partner und die Kinder, an zweiter Stelle die Herkunftsfamilie und zuletzt kommen alle anderen. Die Liebe und die Beziehung zu uns selbst kommen im Bewusstsein der meisten Menschen überhaupt nicht vor.
Diese Überbetonung der Zweierbeziehung hat nichts Natürliches an sich. Sie existiert, wie gesagt, in vielen anderen
Gesellschaften nicht und ist – geschichtlich gesehen – sehr jung. Das, was die Masse der Menschen über Beziehung denkt, entspricht dem sogenannten romantischen Beziehungsideal, das im 17. Jahrhundert aufkam und sich erst in den letzten zweihundert Jahren so richtig in den Köpfen der Menschen eingenistet hat, das heißt als »normal« angesehen wird. Hierauf weist besonders der Therapeut und Autor Michael Mary hin. Das romantische Beziehungsideal besagt:
Da draußen gibt es einen Mann oder eine Frau, also einen ganz bestimmten Menschen, der zu dir passt und den du brauchst, um glücklich zu werden. Den musst du finden.
Jeder Mann braucht eine Frau, jede Frau braucht einen Mann, um glücklich zu werden.
Dieser eine Mensch kann dir alles geben, was du zu deinem Glück brauchst. Und du kannst ihm geben, was er zu seinem Glück braucht. Das nennt man Liebe.
Wenn du diesen Menschen findest, werden sich nicht nur deine Wünsche nach Sicherheit und Wohlstand erfüllen, sondern auch deine emotionalen (nach Zuwendung, Geborgenheit, Treue, Freundschaft usw.) und sexuellen Bedürfnisse werden befriedigt werden. Kurzum: Dieser andere ist dein Traumpartner, mit dem all deine Träume wahr werden können.
Allein bist du nicht ganz, nicht vollständig. Erst der andere, die Frau oder der Mann, macht dich ganz. Im Grunde bist du ein halber Mensch, der seine andere Hälfte finden muss, um ganz und vollständig zu werden.
Wenn du den »Richtigen« findest, sollte diese Beziehung ein Leben lang halten. Wenn dir das nicht gelingt, bist du gescheitert und darfst dich schämen.
Wenn du gegen dieses Beziehungsbild verstößt oder rebellierst, werden die Gesellschaft, der Staat und die »Normalen« es dich spüren lassen.
Dieses Beziehungsideal hat unsägliches Leid erzeugt und gehört »in die Tonne«. Da es jedoch seit Generationen weitergereicht wird und sich seine Kerngedanken in unzähligen Romanen und Hits finden, hält es sich hartnäckig in den Köpfen und im Massenbewusstsein und führt im
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