Wahrhaft
dann Marcus Szene vorhin. Klar mag ich Liam. Aber verliebt bin ich nicht, oder?
Wahrscheinlich ist Marcus einfach nur eifersüchtig, überlege ich. Vielleicht ist er es nicht gewohnt, dass ihm eine Frau nicht zu Füßen liegt und ihn anhimmelt.
Und dann Alexander. Erst verwöhnt er mich so intensiv bei unserem Date und erzählt mir sehr private Dinge, nur um dann am nächsten Tag wieder zu verschwinden. Er hat mir noch nicht einmal einen Zettel da gelassen.
Die sind doch alle drei total bekloppt, denke ich. Ob ich das die nächsten Wochen aushalten werde? Der Sex ist zwar grandios, aber ist es das wert? Natürlich kann ich das Geld, dass ich am Ende bekommen soll, gut gebrauchen, aber Liams ‚Vorschuss’ hat mir gezeigt, dass ich ziemlich allergisch darauf reagiere, für meine ‚Dienste’ bezahlt zu werden.
Ach Caroline, denke ich. Worauf hast du dich da nur eingelassen?
„Fräulein, hi er ist die Endstation. Sie müssen aussteigen! Ich habe jetzt Pause.“ Der Fahrer steht vor meinem Sitz und sieht mich auffordernd an.
„Oh, sind wir schon da?“
Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich überhaupt nicht gemerkt habe, dass wir schon am Ziel sind. Ich bin die Einzige, die noch auf ihrem Platz sitzt. Alle anderen Fahrgäste sind bereits ausgestiegen.
Eilig erhebe ich mic h von meinem Sitz, wünsche dem Fahrer noch einen schönen Tag und steige aus dem Bus.
Etwas verloren sehe ich mich um.
Herrje, wo bin ich denn hier gelandet? Sieht aus wie ein klitzekleines Kuhdorf. Ich stehe auf einer Straße, vermutlich der Hauptstraße, vor mir kleine bunte Einfamilienhäuser, dahinter Felder und ganze drei Geschäfte, alle direkt nebeneinander. Es gibt einen Elektroladen, einen Mini Supermarkt und eine Bäckerei.
Na das ist ja mal eine Auswahl. Hätte ich doch lieber Liams Sexgeld mitgenommen, denke ich ironisch.
Das ist wohl heute nicht mein Tag. Seufzend mache ich mich auf den Weg zur Bäckerei. Hoffentlich gibt es dort wenigstens Kaffee und vielleicht einen Tisch, an den ich mich setzen kann.
Die Bäckerei ist klein und dunkel, Sitzplätze gibt es keine. Ich kaufe mir ein belegtes Brötchen und einen Pappbecher mit Kaffee und setze mich auf eine Parkbank vor der Bäckerei. Zum Glück ist es heute nicht besonders kalt. Sogar die Sonne blitzt ab und zu zwischen den Wolken hervor. Ich nippe an dem Kaffee, beiße in mein Brötchen und starre gedankenverloren auf die Straße. Gestern Abend, nach diesem unglaublichen Sexerlebnis habe ich mich unbesiegbar und auch ein wenig geliebt gefühlt, heute fühle ich mich einfach nur schlecht. Was für ein Unterschied!
Ich fische mein Handy aus der Tasche und schalte es ein. Das Display zeigt eine neue SMS und 20 Emails seit dem letzten Login. Ich klicke mich zuerst durch die Emails. Das dauert ganz schön lange, denn die Internetverbindung in diesem Dorf ist nicht besonders gut. Die meisten Emails sind Werbung, einige sind von meinen Freundinnen, dann eine von meiner Mutter, die nach dem neusten Stand der Dinge fragt und eine der Emails ist doch tatsächlich von Tobias. Der hat vielleicht Nerven! Aber wissen, was er geschrieben hat, will ich trotzdem. Die Mail zu ignorieren schaffe ich nicht, dafür bin ich zu neugierig. Ich überfliege den Text und schüttele stumm den Kopf. Tobias entschuldigt sich wortreich bei mir und erklärt, dass er Anne niemals geliebt hat. Das sie schwanger geworden sei, war ein Unfall. Ob wir uns nicht noch einmal treffen könnten?
Arme schwangere Öko-Anne, denke ich. Tobias ist so ein Idiot! Ich kann Anne gar nicht hassen, denn sie tut mir ehrlich leid. Wer will schon so einen Vater für seine Kinder?
Im zweiten Teil seiner Mail warnt Tobias mich vor Liam. Das muss man sich mal überlegen: ER warnt MICH.
Ich habe gehört, dass er ein äußerst schwieriger Mensch ist und seltsam im Umgang mit Frauen … Pass auf dich auf!
Tobias ist wohl der Letzte, der das Recht hat, über andere zu urteilen. Aber schwierig und komisch im Umgang mit Frauen ist Liam natürlich wirklich. Ich würde immer noch zu gerne wissen, warum er Teil dieser WG ist. Was hat ihn dazu bewogen, sich nur mit Gespielinnen abzugeben und diese dann zusätzlich auch noch mit seinen Freunden zu teilen?
Und wenn es stimmt, was Marcus sagt, dass er sonst nie eine der Frauen in seinem Zimmer schlafen lässt, warum ist es bei mir anders?
Ich lösche Tobias Mail, schreibe ein paar beruhigende Worte an meine Mutter und meine Freundinnen und klicke dann auf das
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