Wahrheit (Krimipreis 2012)
sagte sie.
»Wir sind schon lange zusammen«, sagte Villani. »Mein Hirn und ich.«
»Das klingt wie ein Songtext.« Und sie sang, leise: »Mein Hirn und ich, wir sind schon lange, oh, so lange zusammen.«
Sie war älter als Corin. Eine reife Studentin. Doktorandin.
»Woher wissen Sie, dass ich Talentsucher bin?«, sagte er.
»Ihre Hände«, sagte sie. »Kräftige, aber sensible Talentsucherhände. «
»Ich hab meine Karte nicht dabei.«
»Ich gebe Ihnen meine.«
Er hatte gegessen, der Teller war weg, er schnupperte an seinem Kaffee, als Dove eintrat, mit einer Aktentasche bewaffnet, auf die Minute pünktlich. Die Kellnerin folgte ihm zum Tisch.
»Frühstück?«, fragte sie.
»Nein, danke. Einen großen Schwarzen, bitte.«
Als sie weg war, sagte Villani: »Damit das klar ist, solche Dinge weder am Telefon noch im Büro.«
»Tut mir leid, Chef. Hab mich gestern Abend mit ein paar Telefondaten befasst. Es sind die Daten von einem halben Jahr, ein ganzer Berg.«
»Die haben Sie doch nicht etwa ins System eingegeben?«
»Nein, nein, das habe ich zu Hause gemacht.«
»Sie haben das Programm zu Hause?«
»Nun, nicht das große, nein. Aber genug. Ich habe das schon bei meinem letzten Job gemacht. Andauernd.«
Dove wollte das Wort »Bundespolizei« vermeiden.
»Und?«
»Ich hab das Programm nach Cluster suchen lassen. Das heißt, dass es bei der Suche lernt…«
»Ich weiß, was das heißt«, sagte Villani.
»Verzeihung, Chef. Die Suche ergab zahlreiche Cluster, große und kleine. Drei um Mark Simons, von Simons & Galliano, den Insolvenzkönigen. Und sie korrelieren mit Anrufen für einen gewissen Ryan Cordell. Er ist eine Art Steuer-und Finanzberater. Wenn es losgeht, ist es wie ein Fressanfall. Er ruft Curlew an, Curlew ruft Hendry und Bricknell an, die wieder andere anrufen, dann rufen einige Cordell an, es geht hin und her.«
Doves Kaffee kam. Die Kellnerin deutete auf Villanis Glas. Er machte das Zeichen für »klein«.
»Hilft uns das weiter?«, sagte Villani.
Dove griff in seine Aktentasche, legte eine Mappe auf den Tisch, öffnete sie.
»Das nicht, nein«, sagte er. »An dem Abend, dem Prosilio-Abend, erhielten Bricknell, Curlew, Simons, Jourdan, Hendry und Brody allesamt Anrufe aus dem Ortsbereich des Kasinos und tätigten auch welche von dort. Um elf Uhr dreiundzwanzig ruft Bricknell Koenig an. Zu Hause in Portsea. Dem Haus. Dann, elf Uhr neunundzwanzig, ruft Bricknell
eine Handynummer an, ein Prepaid-Handy, also ist das wahrscheinlich eine Sackgasse.«
Villani begriff, worauf er hinauswollte.
»Um zwölf Uhr sieben«, sagte Dove, »ruft Bricknell dieselbe Nummer wieder an. Um zwölf Uhr einunddreißig wird er von dieser Nummer aus angerufen. Um ein Uhr sechsundfünfzig ruft er die Nummer erneut an. Um zwei Uhr vier ruft sie ihn an.«
»Einen Moment«, sagte Villani. »Das ist ein sehr kleiner Cluster. Ein Cluster aus zwei Personen.«
»Stimmt.«
»Und was dann?«
»Damit befasse ich mich gerade.«
»Nun, Bricknell ruft Koenig an. Sie sind Freunde. Später ruft er wiederholt jemanden an, dessen Prepaid-Handy auf den Namen einer Katze läuft. Diese Person ruft ihn zurück.«
»Das stimmt.«
»Na, und wenn schon.«
Dove blickte weiter auf seine Notizen. Er trank seinen Kaffee halb aus.
»Haben Sie eine Theorie?«, sagte Villani. »Wollen Sie mir Ihre Theorie erzählen? Koenig und die Jungs von St. Thomas? Was ist damit?«
»Sie gehen gemeinsam ins Fitnessstudio«, antwortete Dove. »Das Rogan’s in Prahran. Dieselbe Trainingsgruppe. Bricknell, Simons, Brody, Curlew, Hendry. Und Jourdan.«
»Woher wissen Sie das?«
»Hab rumgeschnüffelt.«
»Sie wollen damit andeuten, obwohl wir versehentlich an Koenig geraten sind …«
»Ich habe nachgedacht. Vielleicht war es nicht versehentlich. Vielleicht hat man uns Koenig gezeigt.«
Villani aß, dachte nach. »Phipps?«, sagte er dann.
»Geht nicht ans Telefon. Ist nicht zu Hause. Die Nachbarin
sagt, sie habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen. Was aber nicht ungewöhnlich sei, sagt sie.«
Dove schob die Hand in seine Jackentasche, nahm sein Handy heraus, klappte es auf, redete, ja, nein, ja, in Ordnung. Er steckte das Handy wieder weg.
»Eine Frau hat gestern Abend Crime Stoppers angerufen«, sagte er. »Sie wohnt in einem Haus gegenüber vom Prosilio, ist gerade von irgendwo zurückgekommen, sie war verreist. Hat etwas gesehen.«
Villani erhaschte den Blick der Kellnerin, bedeutete ihr, er wolle zahlen. Sie huschte
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