Wahrheit (Krimipreis 2012)
zu, als wendete er den Blick von der Sünde ab.
»Tja, Stevo«, sagte er. »Ich hab’s gehört. Es gibt da zwei Möglichkeiten. Erstens, diese Deppen kommen wieder an die Macht und machen ihr Ding. Zweitens, sie kommen nicht wieder dran und die anderen machen’s an ihrer Stelle. Wir müssen hoffen, dass Nummer eins nicht passiert, und für Nummer zwei Vorsorge treffen.«
»Ich weiß nicht, was hoffen helfen kann.«
»Man hofft und hilft außerdem ein wenig nach.«
Dance’ Blick sagte Villani: Frag lieber nicht .
»Falls nötig«, fuhr er fort, »wird am Wahlabend jemand der Frau des Landbesetzers sagen, Quirk sei eine Belastung, auf die sie verzichten sollten, Polizisten würden sonst dafür
sorgen, dass sie einen schrecklichen Preis bezahlen, wenn sie Greg wieder ans Licht zerren.«
»Was für einen Preis?«, sagte Villani. Er wusste es.
»Die Gruften werden entsiegelt, die Giftschränke aufgeschlossen, die Toten werden wieder gehen lernen. Zunächst einmal werden Fotos von einer Parteiikone auftauchen, beim Vögeln eines fünfzehnjährigen schnuckligen Knaben.«
Fünfzehn Jahre alt. Lizzies Alter. Villani sagte: »Da ist noch etwas. Mein Töchterchen beschuldigt mich …«
Dance hob eine Hand. »Hab davon gehört. Vick wird sie aufspüren, uns fällt schon was ein.«
Er nahm ein kleines Abspielgerät aus seiner Hemdtasche, knipste es an, hielt es Villani hin: körniges Bild, zwei Männer im Frack, Fliegen um den Hals. Einer beugte den Kopf auf den Tresen hinunter. Er hob den Kopf wieder, hielt sich einen Fingerknöchel an die Nase, roch daran. Die versteckte Kamera erhaschte einen Bin-ich-nicht-ein-cleveres-Kerlchen- Gesichtsausdruck.
»Wenn es hart auf hart kommt, wird Mr. Barry das Richtige tun, oder er kriegt ein scharfes Filmchen.«
Villani kam der Gedanke, dass Dance viel, viel gefährlicher war, als er je geglaubt hatte.
»Bob ist doch jetzt bestimmt in dieser Kneipe da oben, oder?«, sagte Dance. »Und wartet im Bierkeller ab, bis es vorbei ist. Er ist zu schlau, um sein Eigentum zu verteidigen, koste es, was es wolle.«
»Nein«, sagte Villani. »Er hat einen Feuerwehrwagen, einen Bulldozer, und er hat Gordie, und er bleibt, wo er ist.«
Dance musterte ihn eine Weile. »Tja, irgendwo muss man Widerstand leisten, nicht wahr«, sagte er. »Sich für seine Freunde, für seinen Kampf entscheiden.«
Er klappte den Container zwischen den beiden Sitzen auf und entnahm ihm ein Handy.
»Ich ruf dich an, nenn dir eine Nummer.«
Villani nahm es und trat hinaus in den Tag. Der Wind war jetzt im Norden, er kam aus einer glühend heißen, knochentrockenen Gegend.
D as Blatt Papier lag auf seinem Schreibtisch. Er sah es sich noch einmal an.
Erhalten 02.49: WAS ?
Gesendet 02.50: BALD.
Erhalten 03.01: ?????
Gesendet 03.04: WIR GEHN REIN .
Gesendet 03.22: SSD BANZAI OK .
Kidd und Larter in der Nähes des Hauses in Oakleigh.
Jemand wartete auf eine Nachricht von ihnen. Jemand, der in der Nähe war. Ein ungeduldiger Mensch, zwei SMS in zehn Minuten. Warum?
Worauf warteten die beiden Männer? Waren in dem Haus die Lichter ausgegangen? Wollten sie sichergehen, dass die Ribarics und Vern Hudson schliefen?
Vier Minuten nach drei: die Entscheidung, loszuschlagen. WIR GEHN REIN.
Nur Schatten, die sich bewegten. An der Hintertür. Ein Tritt, Riegel und Schrauben rissen aus dem Holzrahmen. Sie waren Profis.
Zweiundzwanzig Minuten nach drei: Auftrag erledigt. Hudson war tot, die Ribarics mit Isolierband an die Pfeiler im Lagerhaus gefesselt, ihre Münder zugeklebt.
Es wurde Zeit, die ungeduldig wartende Person anzurufen. Den Mann mit dem Messer. Das war kein gewöhnlicher Auftragsmord oder Racheakt. Es war weit mehr als Rache. Hier hatte jemand vor, den Brüdern furchtbare Dinge anzutun.
SSD BANZAI OK.
Sie sind dran. Banzai. OK .
Warum OK?
Villani schloss die Augen, ihm fehlte die Energie. Sein letzter Samstag in diesem Job. Man konnte eine Menge überstehen, aber nicht eine Anklage wegen Sex mit Kindern. Kripochef. Das hatte sich rasch erledigt.
Warum OK?
Weshalb hatte man ihn nicht vom Dienst suspendiert? Warum hatte Gillam das nicht angeordnet? Worauf warteten sie noch? Ging es um den richtigen Zeitpunkt? Wollten sie, dass er wie Koenig zurücktrat?
Als Letztes schreibt sie, ein Pater Donald sei gekommen. Er habe den Ring des Heiligen Vaters geküsst und ihr viele Fragen gestellt und gesagt, sie werde zur Rechten Gottes sitzen, weil sie Pater Cusack von dem Bösen erzählt habe. Der Sitz
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