Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
Oppositionsführerin stand auf der Ladefläche eines Pick-ups, Haare nach hinten gebunden, kariertes Hemd und Jeans, vor ihr ein Meer von Hüten.
    … die Labor-Partei hat diesen großartigen Bundesstaat auf die Knie gezwungen. Sie behauptet, die Partei der arbeitenden Menschen zu sein. Blödsinn. Die Partei der Banker und Anlageexperten, der Investmentberater und Strippenzieher, das sind sie. Es wird Zeit, ihnen einen Tritt zu verpassen und …
    Schwenk auf die Nachrichtensprecherin, die sagte:
    … Melbourne wird heute Abend Einzelheiten über ein Projekt hören, das seine Fürsprecher »eine Revolution des öffentlichen Nahverkehrs« nennen, wenn ein Konsortium unter der Leitung des Geschäftsmanns Max Hendry auf einem Empfang für Stadträte seine Pläne vorstellt. Zu den Gästen werden der Premierminister, die Oppositionsführerin sowie …
    Villani stellte auf stumm und sah sich an, was der Computer zu den aktuellen Fällen anbot. Er bot nichts bis auf Banales und Naheliegendes. Villani loggte sich aus und widmete
sich wieder den Akten, arbeitete sich durch die Unterlagen, den nie kleiner werdenden, sich von selbst erneuernden Aktenberg und hoffte auf einen Anruf Barrys, mit dem er die Einladung zurücknahm. Vielleicht sollte er kündigen, sich eine Abfindung und die Rente zahlen lassen, lange genug war er ja dabei. Er konnte sich zu Bob gesellen, mit mysteriösen indonesischen Ölen Pferde aufpäppeln, sich Rennen ansehen, sich um die Bäume kümmern.
    Sie mussten in Erwägung ziehen, einige zu fällen, sonst könnte man in Teilen des Waldes nicht mehr gehen. Und einen zweiten Damm zu bauen, früher oder später würde es wieder regnen.
    Um sechs Uhr abends nahm Stephen Villani die Nadeln aus dem neuen blauen Hemd, zog sich den neuen Anzug an, dunkelgrau, band den roten Schlips um und schlüpfte in die neuen Schuhe, schwarz, mit Zehenkappen. Er blieb einen Augenblick sitzen, den Kopf zurückgelegt, Augen geschlossen, und spürte die Last des Tages, der weit weg im Hochland begonnen hatte, noch vor dem Morgengrauen.

V illani nahm ein Glas Weißwein von dem Tablett eines Pinguinknaben, musterte die Menge, Männer in Anzügen, Frauen in Kostümen, schlenderte am Rand des überfüllten Raumes entlang. Der Raum lag im Himmel, rundherum Fenster, er bot Aussichten auf die Stadt, die Bucht, das Hinterland, die sanften Hügel, sämtlich von Rauchschleiern verhangen.
    »Ein beeindruckender Blick, nicht wahr, Stephen«, sagte Commissioner Barry.
    »Ich komme nicht oft so hoch hinaus, Sir«, sagte Villani. Barry trank Champagner. Er sah anders aus, kleiner, seine dunklen Haare glänzten, die Wangenknochen leuchteten, er hatte zur Feuchtigkeitscreme gegriffen. »Schicker Anzug«, sagte er. »Das gilt auch für Krawatte und Hemd.«
    Sein Blick ging nach unten. »Dito Schuhe. So ist es richtig, Stephen.«
    Villani spürte sein Erröten, zwang es wieder weg. Er kam sich vor wie ein Mädchen.
    »Ich habe meinen Vorgesetzten versichert, Ihr Umgang mit den Medien sei einwandfrei«, sagte Barry. »Auf der politischen Ebene herrscht eine leichte Paranoia. Das Problem ist, dass man immer den Eindruck erwecken will, die Bösen im Griff zu haben. Bedeutet das nicht, die Welt komplett misszuverstehen ?«
    »Ja«, sagte Villani. »Danke für die Einladung. Ein fröhliches Völkchen.«

    »Tja, kein Wunder, die Austern, der Schampus«, sagte Barry.
    Wahrscheinlich Lauries Firma, dachte Villani, Catering für die oberen Zehntausend, Minimum hundertfünfzig Dollar pro Kopf; die Schickeria beim Melbourne Cup zu verpflegen, dem wichtigsten Pferderennen des Landes, kostete dreihundert.
    »Schön, dass Sie mal Ihr Silo verlassen haben«, sagte Barry. »Sie dürfen sich nicht selbst begraben wie Singleton. Verschaffen Sie sich eine andere Perspektive. Wenn Sie nach oben wollen, brauchen Sie einen umfassenden Überblick.«
    Er blinzelte. »Damit wir uns verstehen, das sag ich zu allen Mädels.«
    Villani rang sich ein Lächeln ab, sah weg, direkt in die Augen einer jungen Frau.
    »Der Minister und der Chief Commissioner sind da, meine Herren«, sagte sie. »Würden Sie mir bitte folgen?«
    »Natürlich«, sagte Barry. »Gehen Sie voran, Liebes.«
    Sie nahm ihre Gläser, gab sie einem Kellner. Dann lotste sie sie durch das Gedränge, einem Safari-Guide gleich.
    Als sie um einige Grüppchen herumgingen, sah Villani Gesichter, die er aus dem Fernsehen, den Zeitungen kannte. Er erkannte den Premier Kelvin Yeats, gegelte braune Haare, gelbe Augen,

Weitere Kostenlose Bücher