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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Rüpel.«
    Die Tomaten. »Du isst ’ne Menge Kirschtomaten, nicht wahr?«, sagte er.
    »Sophie und noch wer von gegenüber. Die kamen rüber
und haben sich vorgestellt. Mein Fehler, ich hab gesagt: Bedient euch.«
    Fremde Hände hatten auch winzige Möhren herausgezupft, Kartoffeln aus der Tonne gezogen, seine Kannebecs und King Edwards. Das mussten immer noch bleiche Kügelchen gewesen sein, nicht größer als Murmeln. Auf der anderen Straßenseite hörte er ein Auto hupen, ein Mann mit poliertem Glatzkopf winkte, seine Brillengläser glänzten im Licht wie Blitzlichtbirnen.
    »Das ist David«, sagte Rose.
    »Warum holst du den Penner nicht rüber, damit er sich ein wenig um den Garten kümmert?«, sagte Villani.
    »Ich seh’s an deinem Blick«, sagte Rose. »Stimmt was nicht?«
    »Ich bin nicht begeistert davon, Audi-Fahrer gratis mit Gemüse zu versorgen.«
    Rose sah ihn schräg an. »Tja, wer hat denn gesagt, dass du das machen sollst? Hab eh nie begriffen, was für dich dabei rausspringt.«
    »Gar nichts«, sagte Villani. »Nicht das Geringste.«
    Er hatte mit keinem Menschen über seine Besuche in Rose’ Haus gesprochen. Laurie würde das nie verstehen. Seine Kollegen würden ihn für verrückt halten. Er verstand es selbst nicht, nur dass er anfangs das Gefühl hatte, er sei ihr etwas schuldig, und später, als er sie kannte, kam es ihm vor, als besuchte er seine Großmutter, kehrte zurück in seine einzige echte Kindheit, die Zeit, ehe er das Gewicht von Mark, Luke und den Tieren schultern musste, als keine Stunde ohne Aufgabe oder Pflicht verging, bis Bob nach Hause kam. Und immer, jede Stunde, jeden Tag, immer war die Angst da, dass Bob eines Freitags nicht nach Hause kommen würde, dass er am Ende des Tages draußen stehen und auf das Motorgeräusch des großen Lasters am Hügel und auf die Drucklufthupe warten und die Welt dunkel werden würde, und Bob
käme nicht nach Hause, weder in dieser Nacht noch überhaupt jemals.
    »Siehst ein bisschen verhärmt aus, Junge«, sagte Rose jetzt. »Wie wär’s mit einem kleinen Frühstück? Hab Eier von weiter unten an der Straße.«
    »Unten an der Straße?«
    »Die Lesben haben Hühner. Ich hab ihnen Gemüse gegeben, hab ihnen irgendwas gegeben, hab’s vergessen.«
    Sie sah Villani nicht in die Augen.
    »Kleines Frühstück wäre gut«, sagte er. »Was ist mit Schinkenspeck? Halten die Lesben auch Schweine?«
    »Bist ein echter Klugscheißer.«
    Sie berührte ihn im Vorbeigehen, fuhr ihm mit einer Hand den Arm hinauf bis zur Schulter, streichelte ihn, wie sie eine Katze streicheln würde.

D er Minister war ein massiger Mann von Anfang fünfzig, fleischige Wangen, wirkte streit- und kampflustig. Er saß hinter einem ordinären Öffentlicher-Dienst-Schreibtisch, Glasplatte, leer, sah man von seinem Handy ab.
    »Wofür soll das hilfreich sein?«, fragte er. Er erinnerte kaum an den jovialen Mann, der sich bei der AirLine-Party mit Paul Keogh unterhalten hatte.
    Villani sagte: »Wir sind vom Morddezernat, Mr. Koenig.«
    »Soll das ein Witz sein? Ich weiß, wo Sie arbeiten.«
    Sie saßen in einem Pressezimmer, weit weg vom Parlament, ein Raum mit Blick auf grau verputzte Mauern.
    »Es geht um Donnerstag, den Elften, vor vierzehn Tagen. Um den Abend dieses Tages. Waren Sie damals zu Hause?«
    »Wieso?«
    »Wir wären für Ihre Mithilfe dankbar.«
    »Mir ist scheißegal, wofür Sie dankbar wären. Was soll diese Frage?«
    »Eine Morduntersuchung. Ihr Name tauchte auf.«
    »Blödsinn.«
    »Ganz am Rande«, sagte Villani. »Aber wir brauchen Ihre Hilfe.«
    Koenig musterte Villani eine ganze Weile. Villani erwiderte den Blick. Koenig nahm sein Handy, benutzte den Daumen, hielt das Telefon in Kopfhöhe.
    »Terminkalender, Einträge für den elften Februar. Abends. Wo war ich?«

    Er wartete, sah von Villani zu Dove und wieder zurück, fester Blick, er war es gewöhnt, Leute einzuschüchtern.
    »Okay«, sagte er zu dem Handy, legte es hin. »Ich war zu Hause in Kew.«
    »Besucher?«, sagte Villani.
    Koenig wusste, dass dies kommen würde, er hatte es immer gewusst, er musste nicht in seinem Terminkalender nachsehen lassen.
    »Ich verstehe die Frage nicht«, sagte er.
    Villani sagte: »Erzählen Sie uns von der Frau, Mr. Koenig.«
    »Welcher Frau?«
    »Die Sie besucht hat.«
    Koenigs Augen verrieten es, er wusste, dass er dran war.
    »Eine Nutte«, sagte er. »Nur eine Nutte.«
    »Teuer?«
    Bei manchen Menschen genoss man es, nach den demütigenden Einzelheiten zu

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