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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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der Grabanlage nicht verstört und entkräftet gewesen. Er musste sie auf Wainwood wiedererkannt oder sogar gezielt nach ihr gesucht haben. »War es ein solcher Schrecken, mich ausgerechnet in einem altehrwürdigen englischen Herrenhaus wiederzusehen?«, fragte Jane. Unwillkürlich stand ihr wieder Beatrice’ leblose Gestalt auf den Dielen vor Augen. Beatrice, die nun in einem Grab ohne Namen lag, das für sie, Jane, bestimmt gewesen war. »Ist Ihnen überhaupt nicht der Gedanke gekommen, dass ich Ihr Gesicht längst vergessen hatte?«
    »Ich konnte kein Risiko eingehen«, erklärte White geduldig. »Umso weniger, nachdem Sie es bis nach England geschafft hatten. Hier gibt es zu viele Menschen, von deren Einfluss ich und meine Geschäfte abhängig sind.«
    Instinktiv begriff Jane, dass es hier zwei Geheimnisse geben musste, die dicht miteinander verwoben waren. Eine Gruppe von Männern, die einem altägyptischen Kult anhingen und ganz eigene Zieleverfolgten. Und Ambrose White, der eher an Fortschritt und Geld glaubte als an die Macht alter Götter. Er war ein Mann, der sich sein Vermögen selbst durch Handel geschaffen hatte, um sich einen Platz innerhalb seiner adeligen Familie zu erkämpfen. Der nächste Gedankenschluss war lächerlich simpel, doch so schmerzhaft, dass Jane darüber sogar die Pistole und die dahinjagende Kutsche vergaß.
    »Sie haben meine Eltern getötet«, hörte sie sich selbst sagen. Jane hatte nicht gewusst, dass sie imstande war, nackten Hass zu empfinden. Ohne Ambrose White würde sie immer noch in einem Ausgrabungslager in Ägypten leben. Ihr Vater hätte ihr beigebracht, die Tonscherben unterschiedlicher Dynastien voneinander zu unterscheiden. Ihre Mutter hätte in der Glut des Lagerfeuers frisches Fladenbrot gebacken. Hätte sie etwas anderes zur Hand gehabt als Penelopes Fächer, wäre sie trotz des Revolvers und des schwankenden Wagens auf White losgegangen. Doch statt ihres alten Messers oder der Pistole ihres Vaters hatte sie nur hilflose Worte. »Sie haben meine Eltern in dem verschütteten Teil des Tals aufgelauert und sie mit Dynamit getötet. Es sollte nach einem Unfall bei den Ausgrabungen aussehen. Dabei hat mein Vater nie Dynamit benutzt.«
    Ihre Anklage schien White nicht mehr zu berühren als eine saubere Zahlenfolge in einem Rechnungsbuch, vermutlich sogar weniger. »Es war erheblich sicherer, als einen Trupp Bogenschützen im Lendenschurz und mit antiken Waffen loszuschicken«, gab er nüchtern zu bedenken.
    Diese durch und durch logische Abwägung gab den Ausschlag. Jane ließ all ihre mühsam erlernte britische Gefasstheit fahren und stürzte sich wie eine fauchende Katze auf Ambrose White. Sie führte den Fächer wie ein Messer und zielte damit auf sein Gesicht. Die dünnen Holzstreben brachen splitternd und zogen blutige Kratzer quer über seine Wangen. Jane hieb mit dem Stumpf des Fächers auf seine Nase und zielte dann auf seine Augen. Doch obwohl White von der Wildheit ihres Angriffs überrascht wurde, hatte er sich schnell wieder gefasst. Er riss einen Arm hoch, um sein Gesicht zu schützen, und holte mit der anderen Hand aus. Der schwere Kolben des Revolvers traf Jane am Kopf und riss sie aus ihrer Raserei. Sie wurde fortgestoßen und stolperte zurück, sodass sie wie eine willenlose Puppe auf ihre Sitzbank fiel.
    In ihrem Kopf wütete ein pulsierender Schmerz. Sie schloss vor Schwindel die Augen. Für eine geraume Weile war das alles, was Jane spürte, das Schwanken der Welt um sie herum, die bittere Galle in ihrem Mund und ein brennender Kopfschmerz. Als sie die Augen wieder aufschlug, blinzelte sie mühsam. Ihr erster vernünftiger Gedanke war, dass sie nur deshalb nicht bewusstlos am Boden lag, weil White in der schwankenden Kutsche nicht genug Platz zum Ausholen gehabt hatte. Sie tastete unsicher nach der schmerzenden Stelle und zog ihr verrutschtes Häubchen vom Kopf. An dem weißen Stoff klebte dunkles Blut.
    Ihr nächster Blick galt Ambrose White. Er saß wieder in eisiger Gefasstheit auf der Sitzbank, doch Jane bemerkte mit grimmiger Genugtuung, dass er mehrere Kratzer im Gesicht hatte. Sein Kragen war verrutscht und er hielt sich mit einem Taschentuch die blutige Nase. Er wirkte nicht mehr halb so höflich und zuvorkommend wie bei der Entführung am Park.
    »Wie entsetzlich unbeherrscht von Ihnen!«, wies er sie voll bissiger Ironie zurecht. Nur der offene Hass in seinen Augen verriet, wie schlecht es in Wahrheit um seine Contenance bestellt war.
    Jane

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