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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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begriff, dass sie wahrscheinlich die letzte Chance verspielt hatte, die ausstehenden Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, doch sie war nicht bereit, sich so schnell geschlagen zu geben. Sie war die längste Zeit höflich gewesen. Und obwohl ihr bei jedem Schwanken der Kutsche vor Übelkeit schwindelig wurde, fühlte sie sich nicht mehr länger hilflos. Nach all den Monaten des Versteckens und zermürbenden Abwartens war dies die Nacht, in der sie endlich ihrem Verfolger gegenüberstand. Sie wollte jetzt die Wahrheit erfahren. »Was hat Sie in Ägypten davon abgehalten, auch mich zu töten?«, fragte Jane.
    Sie war nicht überrascht, als die Antwort ausblieb, doch solange White sie nicht niederschlug oder knebelte, war er gezwungen, ihr zuzuhören. Jane setzte sich trotz des hämmernden Kopfschmerzes gerade auf und starrte ihn an, während er sich nach besten Kräften bemühte, durch sie hindurchzusehen. »Und was hält Sie jetzt davon ab, mich zu töten?«, fragte sie weiter und gab sich die Antwort selbst. »Es ist Colonel Feltham, nicht wahr? Er hat mich zuerst in der Wüste gefunden. Und für ihn brauchen Sie mich jetzt lebend. Im Austausch für etwas, das seine Frau damals in der Grabkammer gefunden hatte. Der Horus suchte danach auf dem Dachboden, nachdem Sie von Rachels Kindermädchen erfahren hatten, dass ihre alten Reisekoffer dort oben sind. Aber es war nicht in den Koffern!«
    Jetzt betrachtete er sie mit demselben milden Ekel wie ein krabbelndes Insekt, das ihm unversehens in den Tee gefallen war. All das interessierte ihn nicht, er kannte Jane. Er hatte versucht, sie schnell und effek tiv zu töten, aber er trug dabei keine Falkenmaske, und er hatte Rachels Kindermädchen einen sehr manierlichen Blumenstrauß mitgebracht. Jemand anderes war für die ägyptischen Götter zuständig, und für das Geheimnis, an das Rachel gerührt hatte. Ambrose White lag nur daran, seinen Ruf und seine Interessen zu wahren. Und nun, da sie nicht mehr stillsaß, fand er sie nur noch lästig. Doch das hier war Janes letzte Chance, vielleicht sogar mit ihrem Leben und der Wahrheit davonzukommen. Sie hatte nicht einmal mehr einen Fächer zu ihrer Verteidigung, nur Worte in dieser engen Kutsche, aus der sie beide nicht entkommen würden, solange der Fuhrmann die Pferde weiter vorantrieb.
    »Ich habe nicht nur den falkenköpfigen Horus in der Grabanlage gesehen, sondern auch seine Mutter, die Göttin Isis«, griff sie den Anfang ihrer gemeinsamen Geschichte erneut auf wie eine Erzählung der Beduinen in der Wüste am Feuer. »Zusammen mit Osiris, dem Herrn der Unterwelt, und Anubis’ schwarzem Schakalkopf. Ich sah Priester mit geschorenen Häuptern, nackten Schultern und weißen Lendenschurzen. Statuen, die vorweggetragen wurden. Ich roch verbranntes Räucherwerk. Und erst ganz am Ende der Prozession folgten Sie.«
    Sein starrer Gesichtsausdruck besagte, dass er sie lieber ohnmächtig als redend sehen würde, doch Jane hatte noch einen letzten Trumpf. Es war jenes Gespräch, das Penelope einst auf Wainwood belauscht hatte und auf das sie sich keinen Reim hatten machen können. Jane setzte alles auf eine Karte und fragte: »Was haben Sie mit den Schatten zu schaffen?«
    Ein Ruck ging durch die Kutsche, als sie über ein Schlagloch hinwegratterten. Er fuhr Jane durch Mark und Bein, geradewegs in ihren schmerzenden Kopf hinein und bis in ihren rebellierenden Magen. Als sie wieder aufsah, wich White ihrem Blick nicht länger aus. Seine Augen spießten sie genauso auf wie zuvor die Mündung des Revolvers. Auch ihn hatte die Fahrt durchgerüttelt, aber seine Nase blutete nicht länger. »Wir haben gemeinsame Interessen, Miss Swain. Die Macht der Schatten ist nicht zu unterschätzen.«
    »Das verstehe ich nicht«, räumte Jane offen ein und sah ihn auffordernd an.
    Es war inzwischen tiefe Nacht. Sie waren seit Stunden unterwegs und sie hatten nur sich selbst zur Gesellschaft. Auch Ambrose White war sein erdrückendes Schweigen leid. »Die Schatten des Horus sind eine geheime Bruderschaft, die sich ganz der alten Religion und Stärke Ägyptens verschrieben hat«, dozierte er. »Eine Gemeinschaft voll mystischer Riten, die ihre Mitglieder auf unbedingten Gehorsam einschwört. Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass sich schon früher diverse Geheimbünde der Symbole der alten Ägypter bedienten?«
    Jane wagte nicht, ihn zu unterbrechen, also nickte sie nur. Die Freimaurer waren das bekannteste Beispiel dafür, aber sie waren längst

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