Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
Vom Netzwerk:
wachsen begann, war denkbar einfach: Ihr Vater sprach niemals von Ägypten, obwohl er als junger Offizier mehrere Jahre dort gelebt hatte. Die Bücher über diese britische Kolonie standen nur der Vollständigkeit halber im Regal, doch sie wurden niemals zum Lesen herausgenommen. Gäste, die dieses Thema anschnitten, wurden mit höflichen Nichtigkeiten abgespeist. Penny konnte sich nicht erinnern, dass in ihrer Familie jemals über die Militärzeit ihres Vaters gesprochen worden war. Sie wurde im stummen Einvernehmen totgeschwiegen, wie ein unschöner Fleck auf der Tischdecke oder die Existenz eines unliebsamen Verwandten.
    »Der Nil fließt durch Ägypten«, gellte Benjamin hinter ihr. »Und der Suezkanal auch. Fast wenigstens.«
    »Hier sind noch mehr Bücher dazu.« Penelope entzifferte mit schief gelegtem Kopf die Titel und blieb dabei an einem Band hängen, der offensichtlich nicht wieder ordentlich zurück ins Regal geschoben wor den war. Es war ein unauffälliges Buch, dessen Ränder schon abgeschabt waren und das nicht immer in dieser tadellos gepflegten Bibliothek gestanden zu haben schien. Sie zog es heraus und öffnete die leise knisternden Seiten. Das Papier war dünn und an einigen Stellen gelbstichig. Offenbar handelte es sich um eine Schilderung ägyptischer Gottheiten und heidnischer Götzenkulte. Zwischen zwei Seiten rieselten ein paar Sandkörner heraus, und als sie sich über das Buch beugte, um daran zu riechen, glaubte Penelope einen schwachen süßlich-harzigen Duft wahrzunehmen.
    »Hat es Bilder?«, wollte Benjamin neben ihr wissen und zog an ihrem Rock, um auch einen Blick auf die Seiten werfen zu können. Als sie sich zu ihm hinabbeugte, griff er ungeduldig nach dem Buch und es fiel unter den Tisch.
    »Nein, hat es nicht«, sagte Penny und sehnte sich voller Inbrunst Becky herbei. Sie bückte sich, um den Band wieder aufzuheben. Dabei rutschte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus den Seiten heraus. Es schien um Jahre jünger zu sein als das Buch selbst. Die Schrift darauf war so winzig, das Jane ans Fenster trat, um besser lesen zu können. Es waren nur wenige Zeilen und der Stil weder gefällig noch besonders höflich, doch schon das Datum ließ sie aufhorchen.
    Kairo, am 9. September 1907
    Mein lieber Charles,
    ich bin gerade noch rechtzeitig in Amuth Beli eingetroffen, um der Beerdigung von Professor Swain und seiner Frau beizuwohnen. Offenbar hat sie der Versuch, das Geröll im hinteren Teil des Tals fortzusprengen, das Leben gekostet.
    Wie Du selbst weißt, kann die junge Miss Swain jetzt unmöglich länger hier verweilen. Doch Deine Möglichkeiten übersteigen die meinen bei Weitem. Finde Du einen sicheren Ort für sie! Und sei es nur um Rachels willen.
    Ich kehre so schnell nach England zurück, wie es mir möglich ist.
    Es gab keinen Gruß zum Abschluss, nicht einmal eine Abschiedsfloskel. Der kurze Brief endete mit einem einzigen Wort in schwarzer Tinte geschrieben; Feltham . Penelope hatte diesen Namen noch niemals zuvor auf Wainwood gehört, und doch benutzte er Lord Derrington gegenüber die vertraute Anrede, wenn auch nicht die Herzlichkeit eines engen Freundes. Obwohl Penny nur zu gut wusste, dass diese Zeilen nicht für ihre Augen bestimmt waren, las sie den Brief ein zweites Mal, ohne dabei mehr von seinem Inhalt zu begreifen. Sie bemerkte Mr Frost erst, als der Butler hinter sie trat und den schweren Atlas mit einer einzigen akkuraten Bewegung schloss.
    »Lord Derrington vermisst sein Zigarettenetui, Lady Penelope«, erklärte er, ohne seine Stimme zu erheben. »Sie haben es nicht zufällig gesehen?«
    Ertappt, als wäre sie wieder beim Lesen eines unerhörten Traktates erwischt worden, fuhr Penny am Fenster herum. Sie hielt noch immer das Buch in der einen Hand, und das Etui, das sie gedankenverloren an sich genommen hatte, in der anderen. Der Brief schien wie von selbst zwischen die Seiten zurückgeglitten zu sein. »Hier ist es, entschuldigen Sie, Frost, ich hätte gleich nach Ihnen klingeln sollen!«
    Penny hielt ihm das silberne Kästchen entgegen. Hin ter dem Butler schlüpfte das Kindermädchen in den Raum. Es eilte aufgelöst zu Benjamin, der am Boden saß und sich eine Zeichnung von Hieroglyphen an sah. Penelope konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Mr Frost sie für einige Sekunden länger als gewöhnlich musterte, bevor er sich mit einer angedeuteten Verbeugung bei ihr bedankte. Als er bereits an der Tür war, hielt Penny ihn noch einmal

Weitere Kostenlose Bücher