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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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an, die Köchin, Mr Frost und mich mit dem Familiennamen.«
    »Guten Morgen, Jane«, wurde sie von Samuel gewissenhaft begrüßt. Sein Lächeln schien beinahe seine Augen zu erreichen. Sie erwiderte es zaghaft.
    »Haben Sie Beatrice gesehen?«, kürzte Mrs Chambers resolut die Formalitäten ab.
    »Sie ist oben in den Schlafräumen, soll ich sie herunterholen lassen?«, fragte Sam.
    »Nein, lassen Sie nur, diese ganze Angelegenheit hat schon für genug Aufregung gesorgt, auch ohne dass wir damit fortfahren, unsere Pflichten zu unterbrechen. Widmen Sie sich nur dem Silber.« Mit diesen Worten nahm Mrs Chambers ihre Wanderung durch das Haus wieder auf, Jane hinter sich im Schlepptau.
    Sie führte das Mädchen graue, niedrige Korridore entlang und hielt dabei immer wieder an, um ihr den Kohlenkeller, die Vorratsschränke und die Abstellkammern zu zeigen oder ihr andere Dienstboten vorzustellen. Bald konnte Jane sich die Namen und Gesichter nicht mehr merken und war überzeugt, dass sie sich hier unten alleine hoffnungslos verlaufen würde. Sie hatte heute noch immer nichts gegessen und die ganze Nacht über nicht geschlafen, doch die Anspannung schien ihr das Blut schneller durch die Adern zu pumpen und sie künstlich wach zu halten, wie der tiefschwarze türkische Mokka in den Kaffeehäusern von Kairo. Irgendwann musste diese Wirkung nachlassen, und Jane fragte sich, ob sie dann auf der Stelle in eine Art Totenstarre verfallen würde wie eine Dampfmaschine, sobald die glühende Kohle in ihrem Inneren erlosch.
    »Das hier ist der Aufzug, mit dem wir das Essen hinaufbringen. Er wird über diese Kurbel bewegt«, erklärte ihr Mrs Chambers gerade vor einer Anrichte, neben der es einen kleinen, handbetriebenen Lastenaufzug gab, in den ein Tablett passte. »Und dort drüben ist die Küche. Du isst mit den anderen, gleich hier rechts, in der Gesindestube. Es gibt Frühstück um acht, Mittagessen um zwölf, um halb sechs einen Tee und Abendessen, sobald die Herrschaften mit dem Dinner fertig sind.«
    Jane ballte die Hände zu Fäusten, in dem vergeblichen Versuch, sich alles auf einmal zu merken. Doch am wichtigsten erschien ihr die Aussicht auf eine warme Mahlzeit. Sie musste also nur bis zum Mittagessen durchhalten! Das würde sie schaffen. Und dann bis zum Tee, noch einmal bis zum Abendessen und endlich bis zur Nachtruhe, um sich auf einem Bett ausstrecken zu können und sich zu fragen, wie um alles in der Welt sie in diese Situation geraten war. Jane glaubte nicht daran, dass sie ein besonders gutes Dienstmädchen abgeben würde. Passenderweise schien das auch sonst niemand zu erwarten. Sie fühlte sich seltsam taub und zugleich aufgeregt, während sie hinter Mrs Chambers herlief und sich bemühte, den Worten zu folgen, die auf sie einprasselten.
    Zuletzt stiegen sie die steile Treppe hinauf, die in die herrschaftlichen Räume von Wainwood House führte. Der Übergang war für Jane auch noch bei diesem dritten Mal überwältigend. Hinter ihr zurück blieb die graue Tristesse des Kellergeschosses, das aus einem verschlungenen, düsteren Labyrinth aus niedrigen Gängen und schlecht beleuchteten Räumen bestand und doch immer voller Geschäftigkeit und quirlendem Leben war. Am oberen Ende der Treppe hingegen betrat sie eine Welt voll vornehmer Ruhe, matt schimmerndem Glanz und lichtdurchfluteten Räumen. Während unten gerannt, gescherzt und geflucht wurde, schien ein solcher Trubel hier oben vollkommen undenkbar. Mrs Chambers führte Jane zielstrebig bis in den ersten Stock hinauf.
    »Wir reinigen die Räume in diesem Stockwerk, während die Familie unten beim Frühstück sitzt oder tagsüber ihren Geschäften nachgeht. Das Erdgeschoss muss bereits sauber sein, bevor sie herunterkommen«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme. »Niemand von ihnen will dich hier oben zu Gesicht bekommen. Wir müssen unseren Arbeitsrhythmus ihrem Tagesablauf anpassen, und nicht umgekehrt.« Der bohrende Blick, mit dem sie Jane bedachte, unterstrich, wie viel Bedeutung diesem Punkt beigemessen wurde. »Sollten sich eure Wege doch einmal kreuzen, so trittst du zur Seite, mit dem Rücken zur Wand, und senkst den Blick, bis sie vorbeigegangen sind. Um nichts in der Welt wirst du sie ansprechen!«
    Mrs Chambers hielt nacheinander vor zwei Türen inne, bevor ihr leises Stimmengewirr hinter der dritten verriet, dass sie am Ziel waren. Ohne zu klopfen, drückte sie die Klinke herab und rauschte mit gebauschten Röcken herein, wie ein Schlachtschiff

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