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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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das neben der Gouvernante dazu verpflichtet worden war, für den lebhaften jungen Stammhalter der Familie Goodall Sorge zu tragen. Eine Aufgabe, für die es weit eher eines scharfen Wachhundes als einer pausbäckigen jungen Frau bedurft hätte.
    »Benny, was habe ich dir über das Schleichen und das Flüstern auf unserer Mission gesagt?«, erkundigte sich Penelope mit schwindender Geduld, während Claire voll grazienhafter Anmut entschwebte.
    Bevor ihr Bruder sich an die Lektion in Spionage erinnern konnte, wurde die Tür zur Bibliothek ein weiteres Mal geöffnet und Lord Derrington trat heraus. Er sah seine beiden jüngsten Kinder einen Moment lang mit einem Ausdruck der Resignation an. Geradeso als hätte er es besser wissen müssen, als auf ihre Fügsamkeit zu bauen, und würde nun vor dem Ergebnis seiner nachlässigen Erziehung stehen.
    »Penelope, würdest du bitte deinen Bruder in der Bibliothek beschäftigen, bis Becky eintrifft?«, wies er seine Tochter an. »Ich werde nach ihr schicken lassen.«
    »Gewiss, Vater.« Benjamins Prostest standhaft ignorierend, schob Penelope den Jungen vor sich her durch die Tür.
    »Ich will nicht in die Bibliothek! Ich will am Fluss Trapper und Indianer spielen«, erklärte er ihr aufgebracht, während sie die Tür hinter ihnen schloss.
    »In England gibt es keine Wilden«, machte Penny ihn bedauernd mit der Wirklichkeit vertraut. »Und das Mädchen kommt nicht aus Amerika, sondern aus Ägypten.« So viel hatte sie am Frühstückstisch mit angehört, als Jane Swain aus Kairo mit einem Brief von Colonel Feltham angemeldet worden war. Penelope deutete auf den großen Atlas, der aufgeschlagen auf einem Lesepult lag. »Schau mal, ob du herausfindest, wo Ägypten liegt.«
    Der Atlas zählte zu ihren gemeinsamen Lieblingsbüchern. Benjamin half er dabei, die zahllosen Reisen zu planen, die er unternehmen würde, sobald er groß genug dafür war. Und Penelope sah sich in ihm die Routen der Expeditionen an, über die sie in den Magazinen der National Geographic Society las. Selbstredend war solche Lektüre kaum passend für ein junges Mädchen, aber hierbei hatte sie in Julian einen Verbündeten, der ihr die Hefte aufs Zimmer schmuggelte, sobald er sie durchgelesen hatte.
    Auch jetzt trat sie unwillkürlich wieder zu dem Regal mit den geografischen Abhandlungen und Reiseberichten. Jeder einzelne Band auf diesem Bord war ihr wohlvertraut. Ihre Finger strichen liebevoll über die ledernen Buchrücken. Marco Polos Reisen bis nach China. Die lange Suche nach den Nilquellen. Humboldts Expedition mit Bonpland den Amazonas hinab. Länder, über die sie jeden Satz gelesen hatte, der je geschrieben worden war, und die sie doch niemals mit eigenen Augen sehen würde. Die bloße Vorstellung, Lord Derringtons Tochter könnte die Weiten der Sahara durchqueren und mit einem wilden Eingeborenenstamm am Lagerfeuer dinieren, schien genauso absurd wie eine Frau am Steuer eines Schiffes. Etwas derart Ungeheuerliches würde ganz einfach nicht geschehen. Und hätte Penelope diese Möglichkeit auch nur angedeutet, hätte sie bestenfalls verlegenes Gelächter geerntet.
    Hinter ihr redete Benjamin ohne Unterlass weiter, während sie die Regalreihen abschritt, doch Penny hatte sich daran gewöhnt, seine Stimme auszublenden. Stattdessen nahm sie das blass goldene Sonnenlicht wahr, dass durch die Fenster auf den Teppich fiel, den herben Geruch nach altem Papier und trockenem Leder und das leise Knacken der Holzscheite im Kamin. Vor ihr im Regal blitzte ein silberner Gegenstand auf, den sie vorher nicht bemerkt hatte. Es handelte sich um ein Zigarettenetui mit dem Monogramm ihres Vaters. Das Bord, auf dem es offenbar achtlos liegen gelassen worden war, enthielt Karten und Abhandlungen über Ägypten.
    Penelope verharrte regungslos, während hinter ihrer Stirn die Gedanken ineinander griffen, wie die Zahnräder eines mechanischen Uhrwerks. Außer ihnen war niemand in der Bibliothek gewesen. Ihr Vater schien das Zigarettenetui noch nicht zu vermissen, denn nichts war alltäglicher für ihn, als es in den zahllosen Räumen von Wainwood zu verlegen. Und doch spürte Penelope, dass an diesem Vormittag in der Bibliothek etwas ins Rollen geraten war, das ihr nicht ganz geheuer erschien. Sie wusste es so sicher, wie ihr bekannt war, dass eine Dame niemals rennen durfte und ein Abendessen ohne die passenden Handschuhe vollkommen undenkbar war. Der Grund für das Misstrauen, das in Penny wie ein sprießender Keim zu

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