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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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erwarten durften, jemals auf einem Ball zu glänzen, machte die Sache nicht unbedingt besser.
    Julians Schultern waren bei ihren Worten herabgesunken, wie bei einem gescholtenen Schuljungen. Er sah sie reumütig an, wand sich vom Fenster ab und trat an der Glocke vorbei. Unwirsch stieß er mit dem Fuß gegen einen der alten Koffer.
    »Hast du nicht auch manchmal den Wunsch, all das hinter dir zu lassen?«, fragte er mit einer Leidenschaft, die Penny von ihm keineswegs gewohnt war. »Nicht mehr nur deine Pflicht der Familie gegenüber zu tun, sondern deinen eigenen Weg zu wählen, Pence?«
    Julian war der Einzige, der sie jemals so nannte, und im ganzen Haus rief allein Penelope ihn seit Benjamins Geburt noch bei seinem alten Spitznamen. Es war eine Reliquie jener alten Vertrautheit aus ihren Kindertagen, als sie beide noch so unzertrennlich gewesen waren, als wären sie tatsächlich Bruder und Schwester. Doch seitdem war viel Zeit vergangen. Benjamins Geburt mochte den Anstoß gegeben haben, doch Penelope war sich sicher, dass das nicht das Einzige gewesen war, was Julian in den Jahren auf der Jungenschule verändert hatte. Obwohl sie sich weiterhin jeden Sommer gesehen hatten, schienen sie sich dabei immer weiter voneinander zu entfernen. Und obwohl Jules ihr noch immer vertrauter war als jeder andere Mensch auf Wainwood, war sie inzwischen sicher, dass er mehr als ein Geheimnis vor ihr verbarg. Es gab Dinge, die er ihr nicht anvertrauen wollte, Bereiche seines Lebens, aus denen er sie aussperrte, wie einen aufdringlichen Gast. Diese Erkenntnis hatte einen bitteren Nachgeschmack und störte sie mehr als Claires ewige Stichelleien.
    »Natürlich«, sagte Penny ernsthaft. »Ich könnte an der Universität studieren und dann in den Orient aufbrechen oder nach Indien, um all die Orte zu sehen, von denen ich bisher nur gelesen habe.« Sie stand auf, die Decke wie einen Talar auf ihren Schultern. »Aber dann würde keiner aus der Familie mehr mit mir reden. Ich würde kein eigenes Geld haben und auch keines verdienen können, weil ich keinen Beruf habe. Und wenn ich doch irgendwann heiraten wollte, dann würde mich kein Mann mehr nehmen.« Sie hatte langsam gesprochen, jedes Wort sorgsam abgewogen, als würde es ihr dadurch leichter von der Zunge gehen. Als sie aufsah, bemerkte sie im flackernden Halbdunkel ein schiefes Grinsen auf Julians Gesicht.
    »Du willst doch überhaupt nicht heiraten, Pence!«, sagte er sanft.
    »Na ja …« Sie streckte das Kinn vor und versuchte den Kopf so zu halten wie Claire, stolz und strahlend. »Vielleicht werde ich ja doch eines Tages eine ganz herausragende Erscheinung abgeben. Ich könnte bei Hofe vorgestellt werden und in ganz London von meinem Ballkleid reden machen.«
    Julian war ihr Freund genug, um nicht zu lachen, sondern ihr eine Hand auf die Wange zu legen und ihr ernst ins Gesicht zu sehen. »Ich bin ganz sicher, das wirst du!«
    Ihre Gesichter schwebten dicht voreinander, näher, als Penelope jemals zuvor einem Jungen gekommen war. Das Kerzenlicht malte ihre Züge weich und nichts hätte natürlicher sein können. Dann ließ er sie plötzlich los, als wäre ihm bewusst geworden, dass sie allein mit ihrem nächtlichen Treffen alle Regeln des Anstands brachen. Er trat ein paar Schritte zurück und brachte die Glocke zwischen sie.
    »Du weißt, dass ich dich niemals heiraten kann, oder?«, fragte Jules verlegen. »Auch dann nicht, wenn sie verzweifelt nach einer Partie für uns beide suchen und mit einer solchen Hochzeit dem Anstand Genüge getan wäre?«
    Penny verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Du meinst, weil ich dich noch immer jederzeit im Bogenschießen schlagen könnte?« Bogenschießen galt als eine gerade noch annehmbare Sportart für junge Damen. Natürlich nur auf Zielscheiben und niemals auf bewegliche Objekte, obwohl sie schon einmal in Versuchung geraten war, auf Claire zu zielen, als ihre Schwester von der Gouvernante zum strahlenden Vorbild erhoben worden war. Ungewohnt schüchtern trat sie hinter Julian, um ihm nicht ins Gesicht blicken zu müssen und nicht seinen Blicken ausgesetzt zu sein. Sie trat so nahe an ihn heran, dass sie den kalten Zigarettenrauch an ihm roch, die Seife und den trockenen Schweiß in seinem Hemd. Bei jedem anderen wäre so viel Nähe seltsam gewesen, aber er war einfach nur ihr älterer Beschützer und ewiger Mitverschwörer Jules. »Es wäre, wie eine liebenswerte Version von Claire zu heiraten oder einen erwachsenen Benjamin«,

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