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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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ein kalter Wind fegte um die Mauern des Gotteshauses. Im grauen Licht des Wintertages schien die einzige Wärme hinter den hohen Kirchenfenstern zu liegen, doch Penelope schlug den entgegengesetzten Weg ein.
    Sie eilte zwischen Kreuzen und Grabsteinen hindurch, bis sie den Colonel auf einem schmalen Pfad entdeckte. Unwillkürlich duckte sie sich hinter einen verwitterten Leichenstein, der seit wenigstens einem Jahrhundert hier stehen musste. Doch ihre Vorsicht war unnötig. Feltham hatte ihr den Rücken zugewandt und ging auf das äußere Ende des Friedhofs zu, jener Seite, die nach Wainwood wies. Dort stand eine kleine Kapelle an der Friedhofsmauer, die von mehreren verwachsenen Weiden umringt war, als müsse sie durch diese stumme Garde vor Unheil beschirmt werden. Die Kapelle hatte schon vor der Reformation an dieser Stelle gestanden. Sie war älter als die Kirche, das Dorf und selbst das Herrenhaus. In ihrer Gruft ruhten Generationen von Goodalls in ihren Särgen. Männer, Frauen und Kinder, von denen nicht mehr geblieben war als einige düstere Porträts auf Wainwood und ihre Namen in den Chroniken des Dorfes. Gelegentlich sah ihr Vater hier nach dem Rechten, doch Pennys Familie hatte seit Jahren niemanden mehr zu Grabe getragen. Sie konnte sich nicht erinnern, die alte Holztür jemals aufgesperrt gesehen zu haben.
    Feltham hielt geradewegs auf sie zu, wie einer, der diesen Weg schon öfter gegangen war. Er sah nicht zurück und bemerkte Penny auch nicht, die über den Grabstein spähte. Als er den Schlüssel ins Schloss schob und sich mit dem verrosteten Mechanismus abmühte, gab sie ihre Deckung auf. Das Mädchen lief über das dünne Wintergras zwischen den Gräbern auf die Kapelle zu. Hinter ihm schlug eine Kirchenglocke einen einzelnen tiefen Ton an, der das Ende der Christmesse ankündigte, dann fielen die übrigen Glocken ein, und ihr Läuten hallte über die Hügel hinweg.
    Penelope wusste, dass ihr vor dem Aufbruch nach Wainwood noch etwas Zeit blieb. Ihr Vater würde ein paar Worte mit dem Pfarrer wechseln und einige Hände schütteln. Es mussten Weihnachtswünsche entgegengenommen und erwidert werden. Mit etwas Glück würde sich diese Prozedur noch eine geraume Weile hinziehen, bevor sie jemand vermisste. Zeit, die sie nutzen musste, wenn sie erfahren wollte, warum Feltham sich während der Weihnachtsmesse fortgeschlichen hatte. Penny war nicht auf dem direkten Wege auf die Kapelle zugelaufen, sondern quer über den Friedhof, und sie näherte sich ihr nun von der Seite. Zwischen den verwachsenen Weiden, dicht an der alten Steinmauer, lagen rund um die Kapelle die ältesten Gräber der Gemeinde. Efeu wucherte über die Steine. Moos und Flechten verdeckten die Inschriften. Ein massives Kreuz war zur Seite abgesunken und nicht wieder aufgerichtet worden. Penelope ging atemlos hinter einem steinernen Engel in Deckung, der mit weit ausgebreiteten Flügeln neben der Kapelle seine zeitlose Wacht hielt.
    Als sie unter dem ausgestreckten Arm des Engels hindurchspähte, war Feltham nicht mehr zu sehen. Die Tür zur Kapelle stand offen, ein schwarzes Viereck das in der Mauer klaffte. Penelope spürte ganz deutlich, dass sie um nichts in der Welt über diese Schwelle treten wollte, heute nicht und an keinem anderen Tag, und doch hätte sie nur zu gern einen Blick hineingeworfen. Noch während sie mit sich rang, legte sich plötzlich von hinten eine Hand auf ihre Schulter. Penny fuhr zusammen und wirbelte herum.
    Aus einem Impuls heraus wollte sie den Arm fortschlagen, der gerade noch nach ihr gegriffen hatte. Lord Nyles fing ihren Schlag geistesgegenwärtig ab und schloss die Finger um ihr Handgelenk. Er sah ebenso erschrocken aus, wie sie es war. Seinen Hut hatte er in der Kirche vergessen. Eine Windbö zerzauste seine Frisur und die herabhängenden Zweige der Weiden. Genau wie Penny war er in einen dunklen Mantel gehüllt. Er hatte den Kragen zum Schutz gegen die Kälte hochgeschlagen. Sein Gesicht zeichnete sich blass und verfroren gegen den schwarzen Samt ab. Seine rotblonden Haare waren der einzige Farbfleck auf dem ganzen Friedhof. Nach dem Schrecken schlug Penelopes Angst von einer Sekunde auf die andere in Empörung um. Gerade als sie dazu ansetzte, ihn zornig anzufahren, legte er sich einen behandschuhten Finger auf die Lippen und deutete an dem Engel vorbei auf das Gräberfeld. Penny wandte sich gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie zwei Männer den schmalen Pfad zur Kapelle entlangschritten.

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