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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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Briefe trugen eine deutlich weibliche Handschrift, auf anderen erkannte sie die Schriftzüge ihres Vaters. Noch bevor Jane dazu kam, sie zu lesen, wurde die Tür aufgerissen. Hanna stürmte herein. Sie trug einen Korb umklammert, in dem Putzlappen und Bürsten steckten.
    »Wo bleibst du denn?«, wollte sie atemlos wissen. »Sie sind schon mit dem Frühstück fertig. Die Wagen fahren gleich vor. Beatrice kontrolliert bereits die anderen Zimmer.«
    Mit einem höchst lästerlichen arabischen Fluch riss Jane sich von ihrer Entdeckung los. Sie begann damit die Mappe wieder einzuräumen, während Hanna das Bett machte. Nach einem kurzen Zögern nahm sie die Briefe ihres Vaters an sich und versteckte sie unter ihrer Schürze. Mit fliegenden Fingern räumte sie die Schublade wieder ein. Endlose Augenblicke hantierte sie mit den Verschlüssen des Koffers herum, bevor sie ein schnappten. Mit etwas Glück würde Feltham die offene Schnur und die fehlenden Briefe erst in ein paar Tagen bemerken, womöglich sogar erst nach seiner Abreise.
    »Ich hätte mich niemals darauf einlassen sollen«, schimpfte Hanna mit vor Aufregung geröteten Wan gen, während sie die Kissen aufschüttelte. »Beatrice wird jeden Moment hier sein. Jeder Grund, uns auszuschimpfen, wird das reinste Weihnachtsgeschenk für sie sein!«
    Wortlos ging Jane dazu über, ihr zu helfen und die Arbeit zu beenden, die sie eigentlich von Anfang an zu zweit hätten machen müssen. Sie waren noch nicht durch das halbe Zimmer gekommen, als die Tür ein zweites Mal aufschwang und Beatrice eintrat. »So«, sagte sie beschwingt, doch das Lächeln auf ihrem sommersprossigen Gesicht war nicht besonders freundlich.
    Die Wolken verhängten am Weihnachtsmorgen den Himmel und das trübe Tageslicht war eine erste Vorahnung auf den nahenden Schnee. Benjamin musste ausnahmsweise nicht im Kinderzimmer frühstücken. Er durfte sich zu der Familie und den Gästen in den Speisesaal setzen. Seine kurzen Beinchen baumelten über dem Boden und seine Wangen waren vor Aufregung gerötet. In seinen Socken am Kamin im Kinderzimmer war nicht nur ein bemalter Zinnsoldat gewesen, sondern wahrhaftig ein zweites Weihnachtsgeschenk, ein Buch über einen Hasen Namens Peter, der sich in fremde Gärten schlich und niemals so brav war wie seine Hasenschwestern. Benjamin hatte beide Geschenke um seinen Teller herum aufgestellt und genoss die Aufmerksamkeit der Damen, die sein blondes Haar zausten und ihn »einen entzückenden kleinen Kerl« nannten. Dass er den Titel eines Lords trug, obwohl er sich den dunklen Samtanzug mit heißer Schokolade bekleckerte, schien seinem Charme nicht den geringsten Abbruch zu tun. Penny war nicht weniger reich beschenkt worden, auch wenn sie argwöhnte, dass der Seidenfächer, den sie in ihrem Strumpf fand, darauf abzielte, sie an die Tugenden einer Dame zu gemahnen. Julian hatte ihr einen Band französischer Kurzgeschichten über einen gerissenen Dieb geschenkt. Obwohl der Umschlag äußerst reißerisch in Rot, Schwarz und Weiß gehalten war, erschien Penny das Buch kaum weniger wunderbar als ihr erster Fächer.
    Neben ihr setzte Claire alles daran, mit einem vor Zorn lodernden Blick Brandlöcher in die weiße Tischdecke zu sengen. Der Toast auf ihrem Teller war unberührt geblieben und sie ließ es entschieden an mädchenhaftem Frohsinn fehlen. Der Grund für das stille, aber deshalb nicht weniger auffällige Leiden ihrer Schwester war der pompöse Ball am Weihnachtsabend. Seit Tagen war im ganzen Haus von nichts anderem die Rede gewesen. Denn es war der erste Hausball, der seit Jahren auf Wainwood gegeben wurde. Bei dem letzten waren sie beide noch Kinder gewesen, die von ihrer Gouvernante ins Bett geschickt wurden. Sie hatten das Ballkleid ihrer Mutter damals nur ein einziges Mal bewundern dürfen, als sie zu einem Gute-Nacht-Kuss in ihr Zimmer gekommen war. Penelope erinnerte sich an den Duft des französischen Parfüms, der im Raum gehangen hatte, und an die wippenden Straußenfedern auf der Frisur ihrer Mutter. Doch obwohl sie beide inzwischen fast schon erwachsen waren, durfte noch immer keine von ihnen den Ball besuchen.
    Schließlich gab es für sie alle ungeschriebene Regeln, die zu beachten waren. Indem eine heranwachsende junge Frau das erste Mal am Arm eines Mannes auf das Tanzparkett hinaustrat, gab sie der Gesellschaft zu verstehen, dass sie nun bereit war, einen Ehemann zu wählen. Obwohl Penny überzeugt war, dass Claire bereits eine Liste möglicher

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