WAKE - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)
die Wange. »Wir sehen uns heute Abend«, fügt sie mit einem kleinen Lächeln hinzu.
Stu zwinkert ihr zu. Carrie steigt in ihren Tracer und Janie klettert hinter das Lenkrad ihres neuen Autos. Sie tätschelt das Armaturenbrett und Ethel schnurrt. »Gutes Mädchen, Ethel«, schmeichelt sie.
29. Juni 2005
Nach dem Vorfall mit Mr Reed hatte die Direktorin des Heather-Heims darauf bestanden, dass Janie eine Woche freinahm. Als Janie sich wand und räusperte, weil sie so lange nicht arbeiten sollte, versprach man ihr die Schichten am 4. Juli und am Labor Day, an denen sie doppelten Lohn erhält. Janie ist glücklich.
Am ersten Tag fährt Janie mit ihrem neuen Auto zur Arbeit. Sie gibt Schwammbäder und wechselt einDutzend Bettpfannen. Zur Unterhaltung singt sie ein trauriges Lied aus Les Misérables , wobei sie die Worte in »Blasen schweigen auf den Pfannen …« ändert. Miss Stubin, eine Lehrerin, die 47 Jahre Unterricht gegeben hatte, bevor sie in Rente ging, lacht zum ersten Mal seit Wochen. Janie nimmt sich vor, Miss Stubin ein neues Buch zum Vorlesen mitzubringen.
Miss Stubin hat nie Besuch.
Und sie ist blind.
Vielleicht ist sie deshalb Janies Lieblingspatientin.
4. Juli 2005, 22:15 Uhr
Drei Bewohnerinnen des Heather-Heims in ihren Rollstühlen und Janie, auf einem orangen Plastikeimer, sitzen auf dem dunklen Parkplatz des Pflegeheims, warten und schlagen nach Mücken. Im Selby Park, nur ein paar Straßen weiter, soll gleich das Feuerwerk losgehen.
Eine der Bewohnerinnen ist Miss Stubin. Sie hat die knorrigen Hände im Schoß gefaltet, an einem Ständer neben ihrem Rollstuhl hängt die Infusion. Plötzlich legt sie den Kopf schief und lächelt wehmütig: »Es geht los!«
Einen Augenblick später explodiert der Himmel in bunten Farben.
Janie beschreibt Miss Stubin alles haargenau.
Ein grün glitzerndes Stachelschwein.
Funken aus einem Zauberstab.
Ein weißer Lichtkreis, der zu einer Pfütze verschwimmt und langsam austrocknet.
Nach einem strahlenden roten Blitz springt Janie auf. »Nicht weglaufen, ihr drei – bin gleich wieder da.«
Sie läuft in den Therapiesaal, holt eine Plastikschüssel und kehrt wieder zurück.
»Hier«, verkündet sie atemlos, nimmt Miss Stubins Hand und biegt vorsichtig ihre knorrigen Finger auf, um einen Koosh-Ball hineinzulegen. »Der Letzte sah aus wie das da.«
Miss Stubins Gesicht beginnt zu strahlen. »Ich glaube, den mochte ich am liebsten.«
2. August 2005, 23:11 Uhr
Janie verlässt das Heather-Heim und fährt die sechseinhalb Kilometer nach Hause. Es ist grässlich heiß und sie schilt Ethel leise, dass sie keine Klimaanlage hat. Darum öffnet sie die Fenster; sie liebt den heißen Wind im Gesicht.
23:18 Uhr
Kurz vor zu Hause hält sie an einem Stoppschild in der Waverly Road und fährt dann über die Kreuzung.
23:19 Uhr
Plötzlich befindet sie sich in einem fremden Haus. In einer schmutzigen Küche. Ein großer junger Mann, ein Ungeheuer mit Messern anstelle der Finger, kommt auf sie zu.
Janie kann die Straße nicht mehr sehen, tritt auf die Bremse und schaltet in den Leerlauf. Sie will die Handbremse ziehen, bevor sie völlig gelähmt ist. Dieser Traum ist stark.
Er schleift einen Stuhl mit Plastiksitz durch die Küche, hebt ihn hoch und wirbelt ihn über dem Kopf.
Aber es ist nicht die Handbremse. Es ist der Öffner für die Motorhaube.
Dann lässt er den Stuhl los. Er segelt auf Janie zu und schrammt den Deckenventilator.
Janie weiß nicht, dass es die Motorhaube ist.
Sie blickt panisch um sich, um zu sehen, was oder wen der Stuhl treffen wird.
Janie ist wie gelähmt. Ihr Fuß gleitet vom Bremspedal. Der Wagen rollt von der Straße.
Ganz langsam.
Aber da ist niemand. Nur das Monster mit den Messer-Fingern und Janie. Bis die Tür aufgeht und ein Mann mittleren Alters hereinkommt. Er geht durch Janie hindurch. Dem in Zeitlupe heranfliegenden Stuhl wachsen Messer aus den Beinen.
Der Wagen verfehlt knapp einen Briefkasten.
Der Stuhl trifft den Mann in die Brust und am Kopf. Der Kopf wird sauber abgetrennt und rollt auf dem Boden im Kreis herum.
In einem flachen Graben im Vorgarten eines kleinen ungepflegten Hauses kommt das Auto zum Stehen.
Janie starrt den großen jungen Mann mit den Messern an den Händen an. Er geht zum Kopf des toten Mannes und tritt ihn wie einen Fußball, sodass er mit lautem Krachen durch das Fenster fliegt. Es folgt ein greller Lichtblitz …
23:31
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