WAKE - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)

an!«
    Er hebt eine Augenbraue.
    »Deine Sitzverstellung, Blödmann. Wir müssen beide gleichzeitig ziehen. Der Wagen hat eine Bank, wie du sehen kannst.« Sie ziehen am Hebel und der Sitz rutscht ein Stück zurück. Janie probiert, ob sie noch an die Pedale kommt, und legt den ersten Gang ein, als Carl die Tür schließt.
    »Du bist in der falschen Straße«, bemerkt er.
    »Ich weiß.«
    »Ich hab schon gedacht, du hättest dich verfahren.«
    »Na, hör mal! Ich … ich fahre einen Umweg. Ich fahre nicht mehr durch die Waverly. Ich bin abergläubisch.«
    Er sieht sie an und zuckt mit den Schultern. »Von mir aus.«
    Fünf Minuten fahren sie in angespanntem Schweigen, bis Janie innerlich die Augen verdreht und fragt: »Und? Wie sieht dein Stundenplan aus?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ooookay …« Das Gespräch verebbt.
    Kurz darauf öffnet er den Rucksack und nimmt einen verschlossenen Umschlag heraus, reißt ihn mit einer Geste auf, als ob es furchtbar anstrengend wäre, und sieht sich seinen Stundenplan an.
    »Englisch, Mathe, Spanisch, Werken, Mittag, Lesesaal, Politik, Sport.« Er klingt gelangweilt.
    Jane windet sich. »Hmm. Interessant.«
    »Und deiner?« Er spricht überaus höflich, als ob er gezwungen wäre, mit seiner Großmutter zu plaudern.
    »Der ist … im Prinzip ganz ähnlich wie deiner«, seufzt sie. »Genau.«
    Er lacht. »Du brauchst nicht so überschwänglich zu tun, Hannagan. Ich lass dich auch abschreiben.«
    Sie lächelt schief. »Ja, klar. Als ob ich das wollte!«
    Er sieht sie an. »Wie ist denn dein Durchschnitt?«
    »Eins Komma zwei«, gibt sie zurück.
    »Na, dann brauchst du natürlich keine Hilfe.«
    »Und deiner?«
    Er rutscht auf dem Sitz herum und steckt den Stundenplan wieder in den Rucksack. »Keine Ahnung.«
     
    So viel hatte Carl Strumheller in all den Jahren, die sie ihn kannte, noch nicht mit Janie gesprochen. Insgesamt. Die fünf Kilometer auf dem Skateboard mitgerechnet.

12:45 Uhr
     
    Janie trifft sich mit Carrie im Lesesaal. Die Abschlussklassen haben ihre Lesestunden in der Bibliothek, damit sie Zugang zu den Büchern und Computern haben. Man hofft, dass sie dort tatsächlich auch arbeiten und nicht nur schlafen. Janie hofft das ebenfalls und sucht sich einen Tisch in der hintersten Ecke des Raumes.
    »Wie läuft’s?«, erkundigt sie sich.
    »Ganz gut«, erwidert Carrie. »Ich habe nur Englisch mit Melinda zusammen. He, hast du den Neuen gesehen?«
    »Welchen Neuen?«
    »In Englisch.«
    Janie ist verwirrt. »Ist mir nicht aufgefallen.«
    Carrie sieht sich vorsichtig um. »Oh, verflixt!«, flüstert sie. »Da ist er ja!«
    Janie sieht an Carrie vorbei, die sie anstarrt und nicht wagt, sich noch einmal umzudrehen. Er nicktihr zu und Janie winkt. »Ach, den meinst du?«, sagt sie zu Carrie.
    »Hast du ihm etwa gerade zugewinkt?«
    »Was … äh, wem? Ja, genau. Wem?«
    »Dem Neuen! Hörst du mir überhaupt zu?« Carrie rutscht auf ihrem Stuhl herum.
    Unschuldig grinsend sagt Janie: »Sieh mal!« Sie steht auf, geht zu dem Tisch von dem Neuen und setzt sich ihm gegenüber auf einen Stuhl, sodass sie Carrie beobachten kann.
    »Ich hätte da mal eine Frage.«
    »Ich dachte, du brauchst keine Hilfe«, entgegnet er, während er in seinem Rucksack kramt.
    »Darum geht es auch nicht.«
    »Na, dann schieß los.«
    »Wirst du heute zufälligerweise häufig merkwürdig angesehen?«
    Er holt seinen Block aus dem Rucksack und zieht sein Oberhemd aus. Darunter trägt er ein weites weißes T-Shirt. Er schiebt den Stuhl zurück, knüllt das Hemd auf dem Rucksack zusammen und legt den Kopf darauf. Mit seinen neuerdings muskulösen Armen umfasst er das provisorische Kissen.
    »Ist mir nicht aufgefallen«, meint er, nimmt die Brille ab und legt sie beiseite.
    Nachdenklich nickt Janie. »Ich verstehe. Also … du weißt nicht, welche Stunden du hast, du kennst deinen Durchschnitt nicht, du bemerkst nicht, dass die Mädels ganz scharf auf deinen neuen Look sind …«
    »Was für ein Quatsch«, behauptet er und schließt die Augen.
    »Was interessiert dich überhaupt?«
    Er öffnet die Augen, hebt den Kopf und sieht Janie lange an. Seine Augen sind seidig braun. Das ist ihr noch nie aufgefallen.
    Für einen Sekundenbruchteil glaubt sie, etwas in ihnen zu erkennen, doch dann ist es fort.
    »Pfft. Das würdest du mir doch nicht glauben.«
    Janie grinst schief, zuckt kopfschüttelnd die Schultern. Ihr ist warm. »Versuch’s doch.«
    Carl zieht skeptisch eine Augenbraue hoch.
    »Na ja … irgendwann